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Penelope Williamson

Penelope Williamson

Titel: Penelope Williamson Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Widerspenstige
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auf den Arm und trug sie in die Hütte. Delia folgte
ihm und sah sich neugierig um. Die dicken, gehobelten Stämme waren so dicht
aufeinandergelegt, daß nicht einmal eine Messerschneide in die Fugen gepaßt
hätte. Deshalb war es trotz der heißen Sonne in dem Raum kühl, und im Winter
würde es entsprechend angenehm warm sein. Es roch gut nach dem würzigen
Kiefernharz und nach dem Öl, mit dem er sein Gewehr reinigte.
    Das kleine Haus bestand nur aus einem großen Raum, aber an der
Rückwand befand sich in halber Höhe eine Zwischendecke. Delia sah dort in einer
Ecke sein Lager mit Bärenfellen. Obwohl das kleine Blockhaus mitten in der
Wildnis stand, war es vornehm und fast
luxuriös eingerichtet. Sie bewunderte eine kunstvoll geschnitzte Bank und die
mit glänzendem Damast gepolsterten Stühle. Es gab sogar eine Glasvitrine mit
kostbarem Porzellan und Zinngeschirr. Unwillkürlich mußte sich Delia daran
erinnern, daß er am ersten Morgen erklärt hatte, er sei »ein Mann von erlesenem
Geschmack und von Kultur«.
    Tyl legte trockenes Holz auf die fast
erloschene Glut. Als das Feuer wieder richtig brannte, füllte er den Kessel mit
Wasser und befestigte ihn an der Kette über den Flammen. Dabei unterhielt er
sich mit Tildy und erklärte ihr, daß sie ihr Gesicht über dampfendes Wasser
halten müsse, bis die entzündete Haut am Augenlid aufplatzte.
    »Und dann«, sagte er lächelnd, »werden die Tränen das 'Gerstenkorn'
wegschwemmen.«
    »Und bekomme ich dann ein Plätzchen?«
vergewisserte sich Tildy.
    Tyl mußte lachen, und auch Delia konnte ein Lächeln nicht
unterdrücken.
    Tildy ließ sich nicht beeindrucken, sondern fragte mit ihrer piepsenden
Stimme: »Darf ich jetzt das Spielzeug aus der Truhe haben, Dr. Tyl?«
    »Aber natürlich ...«
    Ohne Zögern krabbelte sie zu einer mit Kupfer beschlagenen Truhe,
die in einer Ecke stand. Delia mußte an eine Schatztruhe denken und sah
erstaunt, daß sie für Kinder in der Tat eine Art Schatztruhe war, denn sie war
bis zum Rand mit Spielzeug gefüllt – Puppen, Bälle, Schiffchen, Bauklötze, ein
kleines Holzwägelchen, das von zwei winzigen Ochsen gezogen wurde und vieles
mehr. Tildy griff sofort nach dem Holzwägelchen und begann es unter Tyls
Anleitung mit den Bauklötzen zu beladen.
    Delia blickte staunend auf den Mann, der vergnügt mit Tildy
spielte. Nur jemand, der ein Herz für Kinder hatte, konnte eine ganze Truhe
voll Spielzeug im Haus haben.
    Warum heiratet er nicht, damit er selbst Kinder bekommt, fragte
sie sich verwundert. Ich werde ihn nie richtig verstehen.
    Delia ging langsam durch den Raum, der eine so einmalige Mischung
aus Wohnlichkeit und Wildnis war. Auf dem derben Küchentisch stand eine
hauchdünne Kristallschüssel. Daneben sah sie eine silberne Zuckerdose mit der
passenden silbernen Zuckerzange. In der Nähe des Herds hing ein geflochtener
Korb mit Äpfeln zum Trocknen. Auf einem polierten, halbhohen Eckschrank stand
ein schwerer schmiedeeiserner Kerzenleuchter. Und an einem einfachen Haken
neben der Tür hing eine Öllampe. Neben den eleganten Zinnbechern entdeckte sie
seine Tonpfeife, den Tabaksbeutel und ein Jagdmesser.
    Ein Teil des Blockhauses war seinem Beruf
vorbehalten. In hohen Glasgefäßen bewahrte er Medizin auf; daneben stand
griffbereit ein Holzmörser mit Stößel. Merkwürdiges und gefährlich aussehendes
medizinisches Besteck und Lanzetten in allen Größen hatte er ordentlich auf
seinem Schreibtisch aufgereiht. Ein paar der Arzneimittel kannte sie: Schwefel
half gegen Fieber, zerstoßene Nelken gegen Zahnschmerzen, Pfefferminze gegen
verdorbenen Magen. Andere Heilpflanzen, wie etwa Basilikum, Kamille, Wermut,
kannte sie zwar, wußte aber nicht, welche Krankheiten man damit behandelte.
    Er hat mir auf der Fahrt nach Merrymeeting viel erklärt, dachte
sie und betrachtete die Gläser mit all den Dingen, die sie nicht kannte, aber
ich weiß noch immer so wenig ...
    Hinter dem Schreibtisch stand ein Regal mit
Büchern über Medizin und Chirurgie, Heilpflanzen und Arzneimittel. Delia
versuchte, die Titel zu entziffern, aber es gelang ihr nicht. Die Worte waren
zu lang und zu kompliziert. Ein in rotes Leder gebundener dicker Band fiel ihr
sofort ins Auge. Neugierig nahm sie ihn in die Hand und schlug ihn auf. Zu
ihrer Enttäuschung ergaben die Buchstaben auf den langen Seiten überhaupt
keinen Sinn.
    »Das ist Latein«, hörte sie Tyl sagen, der
plötzlich hinter ihr stand. »Du mußt dich also nicht wundern, wenn du

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