Penelope Williamson
zurücklegte und
dabei die weichen samtigen Lippen öffnete. Er wußte, es war für Delia nicht
leicht gewesen, aber allmählich akzeptierten die Frauen von Merrymeeting die
neue Mrs. Parker. Voll Stolz dachte er an ihren Mut und an ihre Ausdauer.
Tyl war natürlich nur deshalb nach Merrymeeting gekommen, um Delia
zu sehen. Das mußte er sich offen eingestehen. Aber er fühlte sich für sie verantwortlich und hielt das für einen ehrenhaften
Grund. Er wollte sich nur vergewissern, daß sie glücklich und mit dem Leben auf
der Farm zufrieden war. Außerdem wollte er herausfinden, ob Delia nach
anderthalb Monaten Ehe ihren Mann liebte und ob er sie liebte. Wenn das so war,
konnte er sie beruhigt vergessen.
Er hätte sich besser kennen müssen.
Jedesmal, wenn Delia etwas zu Nat sagte, kämpfte Tyl mit der
Eifersucht. Wenn sie dann sogar Nat anlächelte, begann es in ihm zu kochen, und
er ballte die Fäuste. Als sie sich beim Essen einmal an Nat lehnte und ihre
Brust seine Schulter berührte, als sie die Hand auf seinen Arm legte und etwas
sagte, worüber er rot wurde, wäre Tyl beinahe aufgesprungen. Er wollte sie erwürgen,
nicht Nat. Er wollte die Hände um ihren Hals legen und sie anschreien: »Du
liebst ihn nicht, Delia, vergiß das nicht! Du liebst mich. MICH! «
Was hatte sie wohl zu Nat gesagt, damit seine
beide großen Ohren glühten? Erinnerte sie ihn etwa an ein lustvolles Spiel, das
die beiden für sich entdeckt hatten, um die Nächte zu verkürzen?
Noch immer quälte ihn die Erinnerung an die Hochzeitsnacht,
als er gesehen hatte, wie Nat sie umarmte. Seitdem gab es für Tyl nur endlose
und trostlose Stunden in seinem Bett. Seine Eifersucht trieb ihn zur Raserei,
und sein Verlangen nach ihr brachte ihn beinahe um, wenn er sich vorstellte,
wie Nat auf ihr lag und sich mit ihr leidenschaftlich vereinte. Wenn sich Tyl
manchmal besonders einsam und aufgerieben fühlte, verselbständigten sich seine
Gedanken, und dann sah er nicht Nat, sondern sich auf ihr liegen. In der
dunklen Stille der Nacht hallte durch sein Blockhaus das rauhe Stöhnen seiner
Lust und Liebesqual.
Das hatte ihm bisher noch keine Frau angetan! Warum also sie?
Warum ausgerechnet Delia McQuaid, eine gewöhnliche, kaum achtzehnjährige
Kellnerin aus einer Hafenkneipe, die ihm nur Schwierigkeiten machte und mit
ihrem losen Mundwerk zur Weißglut reizte? Warum verfolgten ihn ihre Augen, ihr
Lächeln und ihr Lachen? Bei keiner anderen Frau war das so gewesen. Warum sie?
Jetzt war Delia verheiratet und gehörte einem anderen, und trotzdem überschattete
sie seine Tage und bereitete ihm schlaflose Nächte. Warum zum Teufel ließ sie
ihn nicht zur Ruhe kommen?
Aber auch wenn er im stummen Zorn gegen sie
wütete, machte ihre Anwesenheit sie noch begehrenswerter. Er konnte die Augen
nicht von ihr wenden. Aber er sah nicht die ordentliche Farmersfrau mit der
weißen Haube und dem weiten langen Rock. Er sah das nackte Mädchen, das im Wald
von Falmouth Neck auf seinem Lederhemd lag.
»Glauben Sie auch, man hat sie ausgepeitscht,
Doc?«
Tyl zuckte zusammen. Obadia Kemble sah ihn mit seinen schwarzen
Knopfaugen fragend an.
»Wen?«
»Ich habe gerade gesagt, daß die Abenaki seit drei Jahren das
Kriegsbeil nicht mehr ausgegraben haben. Ich frage mich, ob es vielleicht daran
liegt, daß sie ausgepeitscht worden sind.«
»Unsinn!« mischte sich Sam Randolf ein und
schüttelte den Kopf mit den dichten hellroten Haaren. »Doc, Sie haben doch als
Junge bei den Indianern gelebt, und Sie wissen auch, daß man die Abenaki nur
auspeitschen kann, wenn man sie vorher umbringt. Habe ich recht?«
Es kostete Tyl große Mühe, seine Gedanken zu
ordnen, denn diesmal galt seine Schwermut ausnahmsweise nicht dem Volk, dem
seine ganze Liebe gehörte. Sein Herz schlug für Delia. »Stimmt, die Abenaki
haben in ihrer Sprache kein Wort für 'Kapitulation'.« Er lachte, um seine
Verlegenheit zu verbergen, und fügte hinzu: »Aber die Abenaki haben
andererseits nicht nur ein Wort für 'Frieden'. Das werden ihre Feinde
nie verstehen.« Er wußte sehr wohl, es würde ihnen allen wenig helfen, an einen
dauerhaften Frieden mit den Abenaki zu glauben.
Mit Ausnahme von Caleb stimmten ihm die anderen Männer zu und
nickten bedächtig. Es hatte in Maine keinen Frieden gegeben, seit das erste
englische Schiff an der Küste vor Anker gegangen war. Und darüber waren
mittlerweile mehr als hundert Jahre vergangen.
Nat Parker hatte sich bisher nicht an der Unterhaltung
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