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Penelope Williamson

Penelope Williamson

Titel: Penelope Williamson Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Widerspenstige
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musterte die beiden mit hochgezogenen Augenbrauen, aber
schließlich verzog sie ihre schmalen Lippen doch zu einem Lächeln. »Hallo, bist
du mit den Essays fertig, und hast du wirklich alles gelesen?«
    Delia senkte den Kopf. »Noch nicht alles, Anne. Ich hatte einfach
zuviel zu tun ...«
    Anne schüttelte anklagend den Kopf. »Zuviel zu tun! Ich weiß schon
Bescheid. Dein Mann hält dich wie eine Sklavin, und seine beiden Töchter lassen
dich nicht eine Minute zur Ruhe kommen.«
    Delia griff nach ihrer Hand. »Ach, Anne. Hören Sie auf, mit mir zu
schimpfen. Ich habe eine wundervolle Idee ...«
    Tyl und Anne blickten sich an und verdrehten die Augen. Als Delia
es sah, schüttelte sie den Kopf. »Es ist wirklich eine gute Idee, Anne. Ich
finde, Sie sollten Merrymeetings Lehrerin werden!«
    Anne hob überrascht die spitzen Schultern. »Aber ich bin doch nur
eine normale verheiratete Frau.«
    »Na und? Kein einziger Mann kann es mit Ihrem Wissen aufnehmen.
Außerdem findet sich kein Mann für diese wichtige Aufgabe, und die Kinder
werden immer älter, ohne etwas Richtiges zu lernen. Sie könnten Merrymeeting
natürlich auch die zehn Pfund Strafe ersparen, die Boston verordnet hat, weil
es hier noch keinen Lehrer gibt.«
    Anne sah Tyl an, und in ihren Augen begann es zu blitzen. »Weit
und breit gibt es in keiner Stadt eine Frau, die die Kinder unterrichtet
...«
    »Richtig«, erwiderte Tyl. »Aber es gibt bestimmt kein Gesetz, das
es verbietet.«
    Anne runzelte die Stirn. »Nur weil bis jetzt
niemand an so etwas gedacht hat. Die Leute hier sind engstirnig und halten
nichts von Neuerungen oder denken nicht daran, etwas Neues zu akzeptieren.«
    »Stimmt leider«, Tyl nickte ernst.
    »Aber du kannst sie alle überreden, Tyl!« Delia sah ihn mit großen
erwartungsvollen Augen an.
    Tyl wiegte bedenklich den Kopf. »Ganz so einfach ist es auch nicht
...«
    »Wie auch immer, mit meiner Bildung und meinem Wissen kann sich in
Maine niemand messen – kein Mann, keine Frau und kein Indianer«, erklärte Anne
selbstbewußt.
    »Richtig!« Tyl lachte. »Es sei denn, Delia setzt es sich in den
Kopf, Sie zu überflügeln, Anne ...«
    Aber Anne hörte ihm schon nicht mehr zu. »Ich
sollte mit Giles darüber sprechen. Was sage ich da, bin ich verrückt? Genau das
werde ich nicht tun. Wenn ich ihn frage, wird er es doch nur ablehnen. Nein,
ich werde ihm die Sache so erklären, als sei alles bereits entschieden.«
    Aus der offenen Tür des Gemeindesaals drang der köstliche Duft von
geröstetem Mais. In Gedanken versunken und vom Hunger getrieben, gingen die
drei weiter. Anne führte bereits Selbstgespräche über Schulfibeln,
Schiefertafeln und Kreide ...
    Tyl blieb plötzlich stehen, und Delia sah ihn verwundert an. »Was
hast du?« fragte sie errötend.
    »Du ... du schaffst es immer wieder, mich zu überraschen, Delia.«
    Delia zog wie Anne die Augenbrauen hoch und sagte beim Weitergehen
über die Schulter: »Starr mich nicht so an. Das ist unhöflich, Tyl.«
    »Sie haben da einen Riesenbären geschossen, Tyl«, sagte Sam Randolf.
Er bespannte gerade geduldig ein Bettgestell mit Schnur. Er hatte auch allen
Grund dazu, denn seine ständig wachsende Familie brauchte immer neue Betten.
»Es war wohl ein Einzelgänger und entsprechend gefährlich.«
    »Vielleicht ...«, Tyl rauchte genußvoll seine Pfeife. »Um die
Wahrheit zu sagen, ich hatte so große Angst, daß ich mit geschlossenen Augen
abgedrückt habe.«
    Die anderen Männer lachten und nickten verständnisvoll. Sie wußten
natürlich alle, daß Tyl niemals mit »geschlossenen« Augen einen Bären erlegen
konnte. Aber ein Mann aus Maine prahlte niemals mit seinen Erfolgen. Das
überließ er den Freunden.
    Tyl beugte sich vor und griff nach seinem kühlen Bier. Dabei
wanderte sein Blick zur anderern Seite des Raums, wo Delia bei den Frauen saß. Sie
beobachtete aufmerksam Elizabeth beim Spinnen. Und wie so oft an diesem Tag
trafen sich ihre sehnsüchtigen Blicke – aber nur kurz.
    Elizabeth griff mit der Kerbe an ihrem »Holzfinger« in die Speichen
des sich drehenden großen Spinnrads, trat zurück und bremste gekonnt den
Schwung des Rads, während sich der Faden von der Spindel abwickelte. Als Delia
ihre geschickten und flinken Bewegungen sah, bekam sie einen schmalen Mund und
legte die Stirn in Falten. Auch so fand Tyl sie wunderschön anzusehen.
    Sie bezauberte ihn aber noch mehr, als sich Hannah Randolf
offenbar über sie lustig machte und Delia den Kopf lachend

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