Penelope Williamson
beteiligt,
sondern finster vor sich hingestarrt. Jetzt hob er den Kopf und erklärte mit
Nachdruck: »Es wird erst Frieden geben, wenn auch der letzte Abenaki tot ist.
Entweder sie sterben oder wir.«
Bei diesen harten Worten verstummten auch die
Frauen, denn die Bedrohung durch die Indianer verunsicherte alle Siedler in der
Gegend.
Sara Kemble nutzte das Schweigen und rief
anklagend: »Dr. Savitch, Sie sollten sich schämen! Sie leben noch immer wie ein
Indianer, obwohl sie wissen, daß die Wilden die 'Kinder des Teufels' sind! Aber
was kann man von einem jungen Mann schon anderes erwarten, dessen Mutter sich
in die Gefangenschaft dieser Wilden begeben hat!«
»Das klingt, als hätte sie das freiwillig getan«, unterbrach Delia
das Riesenweib, das sich wieder einmal wie ein Frosch aufblähte.
»Diese Frau hat bei den Indianern gelebt und hat sich sogar von
einem als Squaw mißbrauchen lassen. Eine anständige Frau hätte sich das Leben
genommen,« erklärte Sara angriffslustig.
»Selbstmord ist eine Todsünde«, warf Elizabeth
gelassen ein. Delia staunte, denn normalerweise beteiligte sich Calebs Frau nie
an den Gesprächen, sondern zog es vor, ihre Gedanken für sich zu behalten.
Früher wäre Elizabeth vor Angst beinahe in Ohnmacht gefallen, wenn von den
Indianern die Rede war.
»Mein Sam hat recht«, sagte Hannah und legte
besorgt beide Hände auf ihren gewölbten Leib. »Seit dem letzten Angriff der
Indianer ist viel Zeit vergangen. Ich meine, wir sollten nicht leichtsinnig
werden und vergessen, was damals geschehen ist, als wir ...«
Hannah verstummte und biß sich plötzlich so
fest auf die Lippen, daß sie bluteten. Alle Blicke richteten sich auf Anne
Bishop. Ihr knochiges Gesicht war leichenblaß geworden und um ihre Lippen
zuckte es. Besorgt legte ihr Delia die Hand auf den Arm. »Anne ...?«
Anne sprang so heftig auf, daß ihr Stuhl auf den Boden fiel. Sie
drehte sich auf dem Absatz um und lief aus dem Haus. Delia sah ihr fassungslos
nach, aber Hannah flüsterte ihr zu: »Laß sie gehen. Es ist das beste ...«
»Aber ...«
»Ihr einziger damals noch lebender Junge ist
von den Indianern gefangengenommen und zu Tode gefoltert worden.« Sara Kemble
hatte wieder das Wort, und sie nutzte die allgemeine Betroffenheit, um die
Erinnerungen in aller Deutlichkeit wachzurufen. »Das war vor drei Jahren hier
in Merrymeeting. Man hatte uns rechtzeitig vor dem Angriff gewarnt, nur der
kleine Andrew war auf der Jagd, und sie haben ihn mitten im Wald überrascht.
Anne und der Oberst ... wir alle mußten dann vom Wachturm aus das Schreckliche
mit ansehen. Sie haben den jungen Mann vor unseren Augen gekreuzigt und dann
Messer nach ihm geworfen. Danach stießen sie glühende Zweige in seine Wunden.
Die Folter dauerte viele Stunden. Niemand von uns wird seine Schreie vergessen.
Aber die blutrünstigen Wilden hielten sich schlauerweise außer Schußweite.
Keiner konnte den Jungen von seinem Leid erlösen.«
Delia wurde es übel, und sie preßte die Hand auf den Mund. Sie
schloß die Augen, aber als sie einen dumpfen Schlag hörte, schlug sie die Augen
wieder auf.
Elizabeth Hooker war in Ohnmacht gefallen.
Caleb und Delia standen wartend vor dem Schlafzimmer. Endlich ging die
Tür auf, und Tyl kam heraus.
»Wie geht
es ihr?« fragte der junge Pfarrer tonlos.
»Sie schläft ...«, erwiderte Tyl. »Es war nur eine Ohnmacht, Caleb.
Sie müssen sich weiter keine Sorgen machen.«
Caleb nickte beklommen. Er zitterte noch immer. Leise verschwand
er im Schlafzimmer und zog die Tür hinter sich zu.
Tyl und Delia gingen langsam die Treppe nach unten. Bevor sie das
Haus verließen, murmelte Delia: »Man müßte Sara Kemble die Zunge abschneiden ...« Dann sah sie
Tyl mit großen fragenden Augen an. »Sind ... sind deine Abenaki wirklich so
... grausam?«
Mit unbewegter Miene antwortete er: »Ja, sie
können grausam sein.«
Delia entging nicht, daß ihm die Antwort schwerfiel. Seine dunklen
Augen wirkten umwölkt, und die Lippen waren schmal, weil er sie zusammenpreßte.
Sie hätte am liebsten seinen Kopf an ihre Brust gedrückt und ihm den Schmerz
genommen.
Delia, du bist nicht zu retten. Dieser Mann meidet dich, so gut er
kann, und jedesmal, wenn du ihn siehst, sorgst du mit deiner hoffnungslosen
Liebe für neue Peinlichkeiten. Kannst du deine Gefühle nicht besser im Zaum
halten, haderte sie stumm mit sich.
Aber Tyl kannte den Grund für ihre gerunzelte Stirn und das bittere
Lächeln nicht. Deshalb fragte er barsch:
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