Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Penelope Williamson

Penelope Williamson

Titel: Penelope Williamson Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Widerspenstige
Vom Netzwerk:
Feuer kommen würde, und bereitete sich darauf vor, ihr
Gesicht in eine Maske höflicher Gleichgültigkeit zu verwandeln, die sie ihm an
diesem Tag unter allen Umständen zeigen wollte. Trotzdem stieg ihre Spannung,
und fast gegen ihren Willen ließ sie ihn nicht aus den Augen.
    Anstelle von Tyl gesellten sich jedoch die
Bishops zu ihnen.
    Jede Gruppe legte flache Steine in einem
großen Kreis auf den Sand und entzündete darauf das Feuer mit einer
Zunderbüchse – das mit einem Feuerstein entzündete Schießpulver brannte eine
Lunte an, die dann trockene Birkenrinde entflammte. Die Kinder durften Zweige
und Äste auf die Flammen legen, bis die Feuer hoch aufloderten. Die Steine
mußten glühend heiß werden.
    Dann suchten sie im Sand dicht an den auslaufenden Wellen, die
nach dem Sturm noch immer laut klatschend ans Ufer schlugen, nach den besten
Hummern und Krabben. Delia hatte unter einem Stein gerade eine kleine grüne
Krabbe entdeckt, als sie hinter sich seine vertraute tiefe Stimme hörte: »Sei
vorsichtig. Die Krabben sind gefährlich. Sie zwicken dir in die Zehen oder
schnappen die Finger und lassen nicht mehr los.«
    Sie zuckte heftig zusammen und richtete sich auf. Sie wollte weitergehen,
aber er hielt sie fest. Durch die schnelle Bewegung schmerzte ihre Wunde. Sie
mußte die Zähne zusammenbeißen, um nicht laut aufzuschreien.
    Er fragte finster: »Willst du mich den ganzen Tag entweder mit
deinen Blicken verschlingen oder so tun, als sei ich Luft?«
    »Sie schmeicheln sich, Dr. Savitch. Bis zu diesem Augenblick habe
ich nicht bemerkt, daß du überhaupt hier bist.«
    »Wir müssen miteinander reden«, erwiderte er, ohne auf ihre Worte
einzugehen.
    »Ich kann mir nicht vorstellen, worüber wir uns unterhalten
sollten. Oder möchtest du über das Honorar für die Behandlung meiner Wunde
sprechen? Ich rede mit meinem Mann darüber. Wir haben im Augenblick wenig Geld.
Wärst du vielleicht mit ein paar Hühnern einverstanden oder einem Ferkel?«
    Tyl ließ die Backenknochen spielen und stieß wütend hervor:
»Verflucht, Delia, sei doch vernünftig ...«
    »Entschuldige, bitte, aber mein Mann ruft
mich.« Sie ging hinkend an ihm vorbei und eilte, so schnell sie konnte, zum
Feuer zurück, wo Nat gerade einen Seestern aus Tildys Locken holte. Er hatte
noch nicht einmal in ihre Richtung geblickt.
    Als das Feuer heruntergebrannt war, entfernten
sie die Glut und die Asche mit zusammengebundenen Reisern. Dann warfen sie
kübelweise Krabben auf die Steine und obenauf setzten sie die Hummer. Darüber
deckten sie Seetang, um die Hitze so lange wie möglich zu halten.
    Vor der Rückfahrt waren alle mit Aufräumen beschäftigt. Delia
vergewisserte sich, daß Tyl sie nicht beobachtete. Er stand bei der Kanone und
unterhielt sich angeregt mit Oberst Bishop und Sam Randolf. Bestimmt sprachen
die drei darüber, wie und wann sie die Kanone nach Merrymeeting bringen würden.
Es schien daher keine Gefahr zu bestehen, daß er ihr folgen würde. Delia sagte
zu Nat, sie wolle einen kleinen Verdauungspaziergang am Ufer machen. Den ganzen
Nachmittag hatte etwas ihre Neugier geweckt, und sie wollte sich »das Ding«
unbedingt aus der Nähe ansehen.
    »Das Ding« war ein riesiger Berg aus
Austernschalen. Er war größer und breiter als ein großes Haus. Eine dicke
Schicht Vogelkot bedeckte die Austern wie Schnee. Immergrün wuchs in den Spalten,
und an manchen Stellen saßen weiße Muscheln dicht an dicht auf den
Austernschalen. Sie fuhr vorsichtig mit der Hand über die abwechselnd scharfen
und glatten Muscheln und wunderte sich, wie es so etwas hier am Strand
überhaupt geben konnte. Der Austernberg schien Menschenwerk zu sein, denn er
wirkte einfach zu künstlich, um von der Natur geschaffen worden zu sein. Aber
zu welchem Zweck hatten Menschen diesen Berg errichtet? Etwas Geheimnisvolles
ging von dieser Stelle aus, als trete man hier in eine längst vergangene Zeit.
Ihr kam der Platz ungewöhnlich bekannt vor, als sei sie schon einmal vor vielen
hundert Jahren hier gewesen ...
    Delia spürte ihn, noch bevor sie ihn sah.
Langsam drehte sie sich um.
    »Delia ...«
    »Wage ja nicht, mir noch einmal zu sagen, daß du mich liebst, denn
ich will es nicht hören!«
    »Ich liebe dich!« Er schrie es ihr ins Gesicht, und Delia blickte erschrocken
über den Strand. Hoffentlich hatte es niemand gehört. Sie drehte sich um und
hinkte ein Stück weiter zu einem zweiten, noch höheren Berg aus Austernschalen.
Er folgte ihr.
    Vor dem weißen

Weitere Kostenlose Bücher