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Penelope Williamson

Penelope Williamson

Titel: Penelope Williamson Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Widerspenstige
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in der Nacht aufwachen und vor Angst
schreien, weil sie sich vor den bösen Geistern fürchten, von denen du ihnen
erzählt hast.«
    Er lachte leise. »Bestimmt nicht, denn Glooscap wird sie bewachen.«
Er reckte sich und legte sich vor ihr auf den Boden. Er verschränkte die Hände
hinter dem Kopf und sah sie durch die halb geschlossenen Augen an.
    Ihr Blick fiel auf den dunklen Schatten der Haare in seinen Achselhöhlen,
glitt verwirrt zu den nackten Füßen, zurück zum Kopf und blieb dann wie gebannt
auf der sich langsam hebenden und senkenden, straff gespannten Bauchdecke
hängen. Sie wurde von seinem Atem verzaubert und fühlte sich, ohne eine
Bewegung zu machen, zu ihm hingezogen. Aber es war nicht der vor ihr liegende
ruhende Körper, der sich ihr anbot und sie lockte mit dem Versprechen der
Erfüllung all ihrer Träume, sondern eine andere Kraft, die weit über alles
Körperliche hinausging. Wie ein warmes Licht stellte sich mit wunderbarer Ruhe
ein Gedanke ein: Wenn ein Mann und eine Frau auf diese Weise zusammenfinden,
dann sind sie auf dem Weg der Vollkommenheit ...
    Der Raum schien plötzlich zu klein. Sie
hatten sich den ganzen Abend nicht ein einziges Mal berührt, nicht einmal
zufällig. Und doch spürte sie seine Nähe in diesem Augenblick stärker denn je
zuvor. Ihr Zusammensein war natürlich und selbstverständlich.
    Die Zärtlichkeit ihrer Gefühle für ihn überstieg das Maß ihrer
selbstauferlegten Zurückhaltung, und damit stellten sich die beklemmenden Schmerzen
der bitteren Wirklichkeit wieder ein.
    Unruhig stand sie auf. Die Stimme schien sich
ihrer Kontrolle zu versagen, als sie flüsterte: »Tyl, ich danke dir für alles,
was du in den letzten Tagen und besonders heute für mich getan hast, aber ...
es ist nicht richtig, daß du ... jetzt hier bist. Ich glaube, du solltest
gehen.«
    Er schlug die Augen auf, und die Glut seines Blicks ließ sie
schwanken. »Wovor fürchtest du dich?«
    »Vor dir«, antwortete sie mit belegter Stimme. »Und vor mir ...«,
fügte sie kaum hörbar hinzu.
    Er löste die Hände hinter dem Kopf, richtete sich auf und erhob
sich langsam. Obwohl er so dicht vor ihr stand, berührte er sie nicht. Aber
seine Augen entkleideten sie aller Masken und Hüllen. Sie konnte ihm nichts
verbergen und mußte sich ihm überlassen.
    »Ich liebe
dich«, sagte er.
    Die Freude war so groß, daß sie wie von einem Blitz getroffen
wurde, aber dann kehrte sie mit einem dumpfen Donnerschlag in die Wirklichkeit
zurück. Sie standen in Nats Haus, das er mit Mary gebaut und jetzt Delia
anvertraut hatte.
    Delia konnte sich gegen den Zorn nicht wehren, der in ihr aufstieg.
Sie wollte schreien, aber sie brachte keinen Laut hervor. Sie hob die Hand und
schlug ihm ins Gesicht. Sein Kopf flog zur Seite, aber er blieb stumm. Als er
sie wieder ansah, schlug sie ihm noch fester auf die andere Wange.
    Er tat nichts, sondern blieb bewegungslos vor
ihr stehen. Ihre Hände brannten, und ihr Herz zerbrach in tausend Stücke, als
sei es aus Glas, und die Scherben lagen zu seinen Füßen.
    »Ich liebe dich«, wiederholte er.
    Delia rang nach Luft und preßte die Faust auf den Mund. Sie
glaubte zu ersticken.
    »Ich liebe dich, Delia«, sagte er ein drittes Mal. »Ich weiß, es
ist zu spät, aber ich ... ich wollte, daß du es weißt.«
    Er griff nach seinen Sachen, die an der Wand
zum Trocknen hingen und zog sich stumm an. Als er im Vorraum an der Haustür
stand, blieb er stehen. »Delia ...?«
    »Geh!« rief sie. »Geh! Geh! Geh! Ich hasse
dich!«
    Er verließ das Haus.
    Als die Tür zufiel, hinkte sie hinter ihm her.
Ihre Finger wollten zitternd den Riegel schließen, aber dann blieb sie
bewegungslos stehen. Sie drückte die Stirn an das Holz und rief schluchzend seinen
Namen.

21
    Der Sturm dauerte zwei Tage, und er brachte den Menschen zwei
Geschenke.
    Sie hörten davon, als die Männer vom Manöver zurückkamen. Es waren
solche Mengen Hummer und Krabben ans Ufer gespült worden, daß man sie in ganzen
Wagenladungen einsammeln und als Dünger auf den Feldern benutzen konnte. Aber
noch etwas lag am Strand draußen vor der Bucht: die Kanone eines gesunkenen
französischen Freibeuterschiffs.
    Ganz Merrymeeting versammelte sich in Pferdewagen und Kutschen
auf der Gemeindewiese, und dann fuhren alle gemeinsam hinunter zum Strand.
Gerade als sie aufbrechen wollten, erschien Tyl auf seinem Hengst am Waldrand.
In Mokassins, dem gefransten Lederhemd und der weiten langen Wildlederhose
wirkte er eher wie ein

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