Penelope Williamson
Casse-tête, eine indianische
Kriegskeule. Sie war aus Hickoryholz gefertigt und mit scharfen Feuersteinsplittern und Tierzähnen besetzt. Am
Griff hing ein Federbusch aus den Brustfedern eines Falken. Tyl hatte mit einer
solchen Waffe einmal einen Irokesenkrieger getötet und nie das Gefühl und das
Geräusch vergessen, als der Schädel des Mannes wie eine reife Melone platzte.
Ganz gleich, wie viele Leben er als Arzt rettete, er wurde die quälende
Erinnerung daran nicht los.
Der Schamane ritzte ihm mit dem Messer das geheime
Zeichen der Sonne auf die Brust und reichte ihm die Keule. Tyl mußte sich
zusammennehmen, um seinen Abscheu vor diesem Mordinstrument nicht zu zeigen.
Der Schild war in Häute gehüllt, denn er besaß magische Kräfte und mußte
deshalb bedeckt bleiben, wenn er nicht benutzt wurde. Keine Frauenhand durfte
ihn berühren. Er bestand aus ungegerbten Häuten, war bemalt und mit magischen
Fetischen und Federn geschmückt. Als der Schamane unter leisem monotonen
Singsang den Schild aus der Hülle nahm, wurden Tyls Augen groß vor Überraschung
und Freude, denn er erkannte ihn sofort. Der Schild gehörte seinem Vater
Assacumbuit und besaß tatsächlich Magie, denn er konnte weit mehr als nur
Traumbringers Hiebe abwehren. Wenn Tyls Stiefbruder den Schild seines Vaters in
der Hand des Gegners sah, würde er wissen, wem Assacumbuit seine Gunst
geschenkt hatte. Die alten Gefühle von Scham, Furcht und Neid würden wieder
erwachen und Traumbringer wie eine giftige Wolke einhüllen. Dann war er
verletzlich, und Tyl würde ihn besiegen. Erleichtert kniete er vor dem
Schamanen nieder, der ihm mit seinem Blut, das hell aus dem Schnitt über dem
Herzen quoll, auf der Stirn das geheime Zeichen für »Leben« malte, das aber
gleichzeitig auch »Tod« bedeutete.
Ein Kreis
knisternder, zuckender Kiefernfackeln umgab die Plattform. Den dicken
Marterpfahl in der Mitte, an dem Gefangene festgebunden und mit Feuer und
Messern gefoltert wurden, hatte man entfernt. Aber die bei früheren Kriegszügen
erbeuteten Skalps hingen noch an den vier Stützpfosten der Plattform, auf der
die beiden Männer bis zum Tod gegeneinander kämpfen sollten, und schaukelten
in der rauchigen Luft.
Man brachte Delia. Sie stand neben dem Großen Suchern direkt vor der Plattform. Der grauhaarige Krieger warf ihr einen unergründlichen
Blick zu, ehe er seine Aufmerksamkeit wieder nach vorne richtete.
Zwei alte Indianerfrauen hatten die Pflege von
Elizabeth und Delia übernommen. Man brachte die zwei völlig entkräfteten und
verwundeten Gefangenen in eines der Langhäuser. Dort gab man ihnen ein heißes
aromatisch duftendes, aber gallebitteres Getränk, säuberte die Wunden und
bestrich sie unter merkwürdigen Gesängen mit kühlenden Tinkturen und Salben.
Man gab ihnen einen geschmacklosen Kürbiseintopf zu essen und führte sie dann zu
einem Lager aus Fellen. Erstaunlicherweise konnten sie beide trotz der
Schmerzen und Ängste sofort einschlafen.
Das liegt vermutlich an dem abscheulichen Gebräu, dachte Delia
mittlerweile völlig apathisch, während ihr alles vor den Augen verschwamm. Wollen
sie uns auf diese Weise umbringen?
Alpträume quälten sie, aber wenn sie erwachte,
waren die Schmerzen unerträglich, und sie flüchtete dankbar wieder in den
Schlaf, aus dem sie jedoch Elizabeths Wimmern und Schreie oft wieder weckten.
In dem schattenhaften Raum schienen sich viele unheimliche Gestalten zu
drängen. Sie glaubte, ihren Vater zu sehen, der sich dann aber in Nat
verwandelte. »Nat ... Nat, warum haben wir uns gestritten?« klagte Delia stumm,
aber nicht Nat galt ihre Sorge. Sie hatte Angst um Tyl.
Delia überließ sich dankbar den sanften Händen
der Indianerinnen, die ihre Wunden versorgten und ihre Schmerzen linderten.
Die Erschöpfung schien grenzenlos, und sie hatte bestimmt hohes Fieber. Es
schien für sie keine Vergangenheit, keine Gegenwart und keine Zukunft zu geben.
In dem dämmrigen Raum, in dem Tag und Nacht ein Feuer brannte, wußte sie nicht,
wieviel Zeit verging. Schmerzen, Verzweiflung, Trauer und Angst waren Foltern,
die am Marterpfahl nicht schlimmer hätten sein können. Am schlimmsten jedoch
war die Ungewißheit. Würde Tyl gegen Traumbringer überhaupt eine Chance haben?
Dann endlich ließ das Fieber nach. Auch
Elizabeth schien es besser zu gehen. Sie weinte nicht mehr und aß etwas. Aber sie blieb
stumm auf ihrem Lager liegen, als habe sie die Sprache verloren.
Am Abend des Kampfs gingen die
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