Penelope Williamson
Sachem, der ihr keine Antwort gab. Sie hätte Tyl am liebsten geschüttelt, um ihn
zur Vernunft zu bringen. Warum reizte er Traumbringer, wenn dadurch sein Gegner
nur noch zorniger und gefährlicher wurde?
Der Kampf wurde mit jedem Angriff
gefährlicher, denn ein einziger Treffer konnte Sieg oder Niederlage bringen.
Das langsame Umkreisen und das schnelle Ausholen zu einem tödlichen Schlag
wurde zu einem gespenstischen Tanz. Die beiden Männern schienen durch
unsichtbare Fäden aneinandergefesselt zu sein. Sie sprangen aufeinander zu und
wurden unter der Wucht der Schläge zurückgerissen. Sie begannen zu keuchen. Die
geölten Muskeln und die glatten Leiber, die im Fackelschein glänzten, machten
sie noch nackter und ungeschützter für die tödliche Waffe.
Traumbringer hatte Glück. Ein Feuersteinsplitter seiner Keule
verfing sich in Tyls Schild. Durch die Wucht des Schlags wurde Tyl der Schild
aus der Hand gerissen und flog wie ein Teller über die Köpfe der johlenden
Menge.
Traumbringers Mund verzog sich zu einem triumphierenden Lächeln.
Aber er staunte, als Tyl nicht wie erwartet zurückwich, sondern mit einem
Aufschrei, der Delia das Blut in den Adern gerinnen ließ, zum Angriff überging.
Traumbringer hob den Schild über den Kopf, aber Tyl schlug nicht mit der Keule
zu, sondern trat ihm blitzschnell in die Magengrube.
Traumbringer blähte die Backen, schnappte wie
ein Fisch nach Luft und sackte zusammen. Tyl schlug ihm mühelos den Schild aus
der Hand. Mit einem Aufschrei sprang Traumbringer in die Luft und holte dabei
zum Schlag mit der Keule aus. Tyl wich zur Seite aus, die Keule traf ins Leere.
Als Traumbringer sich verblüfft aufrichtete, hob Tyl den rechten Fuß und trat
seinem Gegner in die Kniekehle.
Die Beine gaben unter ihm nach, und Traumbringer stolperte. Tyl
packte ihn von hinten blitzschnell an den fettigen schwarzen Haaren, riß ihn
zurück und stieß ihm dabei das Knie in den Rücken. Dann nahm er die Keule quer
in beide Hände und preßte sie an den Hals des Gegners, zuerst leicht, dann
immer stärker, bis das Gesicht dunkelblau wurde und seine Augen hervorquollen.
Die Menge sah mit angehaltenem Atem zu. Jeder wußte, daß Tyl nur die Armmuskeln
anzuspannen brauchte, um dem Gegner das Genick zu brechen.
Tyl rang ebenfalls nach Luft, der Schweiß floß ihm in Strömen über
die geölte Haut. Er sah Assacumbuit an und stieß keuchend hervor: »Die Frau
gehört mir.«
Einen endlosen Augenblick lang blieb das Gesicht des Sachem unbewegt.
Dann nickte er. »Die Frau gehört dir«, erklärte er. »Und Traumbringers Leben
ebenfalls.«
»Ich nehme die Frau.« Tyl verringerte den Druck der Keule und
lockerte seinen Griff. »Für mich lohnt sich die Mühe nicht, ihm das Leben zu
nehmen.«
Traumbringer glitt langsam auf den Holzboden.
Der Kopf hing ihm schlaff auf die Brust. Er würgte und keuchte. Ein entsetztes
Murmeln ging durch die Menge. Tyl hatte das Leben seines Gegners verschmäht,
als sei er so bedeutungslos, daß es sich nicht einmal lohnte, ihn zu töten.
Assacumbuit sagte nichts. Er drehte sich
einfach um und ging davon.
Tyl ließ die Keule fallen und sprang mit einem Satz von der Plattform.
Delia erwartete ihn. Sie war blaß vor Erleichterung. Beim Näherkommen sah sie
die Erschöpfung in seinem Gesicht. Er blutete. Sie hatte nicht verstanden, was
Tyl und sein Vater gesagt hatten. Sie wußte nur, daß Tyl lebte, und allein das
zählte.
Er blieb
schwer atmend vor ihr stehen. Aber als sie in seine Augen blickte, sah sie
darin nur eine dunkle große Leere. »Tyl ...?«
Er hob die Hand, als wollte er ihr Gesicht berühren, ließ sie aber
wieder sinken. Dann ging er wortlos an ihr vorbei und verschwand wie
Assacumbuit in die Nacht.
Tyl ließ die Zeltklappe fallen und blieb stehen, bis sich seine Augen
an den schwachen Flammenschein in der Hütte gewöhnt hatten. Assacumbuit saß mit
gekreuzten Beinen allein vor dem Feuer. Um die Schultern hatte er als ein
Zeichen seines Rangs den magischen Umhang aus Adlerfedern gelegt. Er sah wie
ein Vogelmensch aus.
Tyl trat langsam auf ihn zu. Er hatte zwar gerade eine Stunde in
der Schwitzhütte verbracht und war danach im See geschwommen, aber trotzdem
schienen seine Kräfte noch nicht zurückgekehrt. Eine lähmende Leere hatte ihn
erfaßt, und er fror.
»Du hast mich rufen lassen, mein Vater«, sagte er, als er vor dem
Großen Sachem stand.
Assacumbuit hob den Kopf und sah Tyl mit seinen unergründlichen
schwarzen Augen an.
»Ich bin
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