Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Penelope Williamson

Penelope Williamson

Titel: Penelope Williamson Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Widerspenstige
Vom Netzwerk:
Indianerfrauen
mit Delia durch das Dorf zum See. Die Größe der Siedlung überraschte Delia. Es
gab richtige Straßen, an deren Rändern kegelförmige Wigwams und Langhäuser mit
grasgedeckten Dächern standen. Verkleidet waren die Häuser mit einer Art
Schindeln aus Ulmenrinde.
    Delia wurde gewaschen. Staunend stellte sie
fest, daß die Wunden verheilt waren und sie keine Schmerzen mehr hatte. Die
beiden alten Frauen zogen ihr ein schlichtes, einteiliges Kleid und hohe
geschnürte Gamaschen aus weichem Hirschleder an. Schließlich bürsteten sie ihr
die Haare und flochten Lederschnüre hinein.
    Als sie nun neben dem alten Häuptling stand,
hielt sie Ausschau nach Tyl. Ihre Anspannung wuchs. Sie konnte sich nicht
vorstellen, wie Tyl, der Arzt mit den sanften heilenden Händen, den so viel
stärkeren Abenaki-Krieger besiegen sollte.
    »Wenn Tyl stirbt, bringe ich euren
Traumbringer um«, sagte sie zu dem Mann neben ihr. »Ich werde ihn mit meinen
eigenen Händen erwürgen ...«
    Der Suchern sah sie erstaunt an. Um seine Mundwinkel zuckte
es. »Jetzt verstehe ich, weshalb mein Sohn dich Lusifee nennt.«
    »Dein Sohn? Traumbringer ist dein Sohn?«
    »Sie sind beide meine Söhne.«
    Delias Augen wurden groß. »Du bist Tyls indianischer
Vater?« Der Häuptling erwiderte nichts.
    »Wenn du Tyls Vater bist«, fuhr Delia fort, »wie kannst du dann so
etwas Grausames zulassen?« Sie wies auf die Plattform. »Kannst du es ertragen,
ihn sterben zu sehen?«
    Der Suchern zuckte kaum merklich die Schultern, eine
Reaktion, die eher einem Franzosen als einem Indianer angemessen war. »Er
kämpft für dich.«
    Delia war so verzweifelt und hatte solche
Angst um Tyl, daß es sie große Mühe kostete, nicht in Tränen auszubrechen. »Ich
werde freiwillig Traumbringers zweite Frau«, sagte sie tonlos. »Wenn du Tyl das
Leben rettest, kannst du mich deinem Sohn übergeben ... deinem Abenaki-Sohn. Du
hast mein Wort.«
    Der Häuptling verzog nicht einmal das Gesicht.
»Du bist eine Frau. In dieser Angelegenheit ist dein Wille nicht wichtig.« Er
sah sie wieder mit seinen unergründlichen Augen an. »Warum glaubst du, daß
Bedagi verlieren wird? Vielleicht kennst du ihn nicht gut genug ...«
    Die Trommeln hatten bis jetzt leise und
eintönig geschlagen. Plötzlich wurden sie so laut wie rollender Donner, und der
versammelte Stamm stieß ohrenbetäubende Schreie aus, die in eine Art
Wolfsgeheul mündeten und schlagartig abbrachen. Dann war es totenstill.
    Delia zuckte zusammen. Von entgegengesetzten Seiten sprangen zwei
Männer auf die Plattform. Ihr stockte der Atem.
    Wenn sie nicht gewußt hätte, daß es Tyl war, hätte Delia den
nackten, eingefetteten und bemalten Krieger, der so grausam und wild aussah wie
sein Gegner, nicht erkannt. Aber als die beiden sich gegenüberstanden, sah
Delia erschrocken, wie viel größer und wuchtiger Traumbringer war als Tyl. Als
der Abenaki die Keule hob, schien er ein wahrer Riese zu sein.
    Die Gegner umkreisten sich geduckt. Jeder
hielt eine todbringende Keule schlagbereit in der einen und einen verhältnismäßig
kleinen Schild in der anderen Hand. Sie schlugen ein paarmal versuchsweise
nach dem Gegner, um die Reaktionen des anderen besser einschätzen zu können.
Der Aufprall der Keulen auf die mit Häuten bezogenen Schilde hallte dumpf durch
die Nacht. Plötzlich hob Tyl seinen Schild und rief Traumbringer höhnisch etwas
zu. Der Abenaki drehte blitzschnell den Kopf nach seinem Vater. Delia sah zum
ersten Mal etwas wie ein Gefühl auf dem sonst so unbeweglichen Gesicht.
Traumbringer hatte den breiten Mund verzerrt, und seine Augen glühten vor Zorn.
In diesem Augenblick schlug Tyl zu.
    Traumbringer sprang blitzschnell zur Seite und fing den Schlag mit
dem erhobenen Schild ab, aber er taumelte unter der Wucht des Aufpralls
rückwärts. Wieder hörte Delia Tyls singende, spöttische Stimme. Traumbringer
hob daraufhin knurrend vor Wut die Keule und ging zum Angriff über.
    Sein Schlag landete unterhalb von Tyls
Schild. Tyl sprang zurück, aber die Keule streifte ihn am Oberschenkel. Delia
schloß entsetzt die Augen. Die Menge schrie und jubelte. Doch Tyl ließ sich
nicht beeindrucken, sondern reizte seinen Gegner mit einer neuen höhnischen
Bemerkung. Diesmal brüllte Traumbringer vor Zorn laut auf und schlug blindlings
zu. Tyl wehrte den Angriff mit einem Gegenschlag ab, und die Keulen schlugen
wie Schwerter gegeneinander. Dann lacht er.
    »Was hat er gesagt? Warum tut er das?« fragte Delia den alten

Weitere Kostenlose Bücher