Penelope Williamson
Versöhnung geben. Sie
würden nicht nur um eine Frau kämpfen. Der ganze Stamm wußte das.
Assacumbuits Stimme klang beinahe traurig.
»So sei es. Wenn der Wolf den Mond verschlingt, werdet ihr kämpfen. Bereitet
euch in der Stille darauf vor. Versöhnt die Geister der Erde, des Wassers und
der Luft mit dem Opfer eures Blutes!«
Der Sachem drehte sich um und verließ den Platz. Die Menge
löste sich auf. Die Trommeln und der Lärm waren verstummt.
Jetzt erst wandte Tyl sich Delia zu. Sie stand langsam auf. Delia
war nackt; Platzwunden und blaue Flecken bedeckten ihren Körper. Aber sie hatte sich gewehrt. Er wußte, niemand im
Stamm würde vergessen, wie sie laut fluchend den Stock geschwungen und ihre
Ehre verteidigt hatte. Er war stolz auf sie. Ungeachtet der vielen Zuschauer
ging er zu ihr. Er strich ihr mit einem Finger zart über das Gesicht. Dann
schnürte er sein Hemd auf, zog es aus und streifte es ihr über den Kopf. Er
ließ die Hände auf ihren Schultern liegen und sah sie ernst an.
»Tyl, was geschieht jetzt? Was ist los?«
stieß sie ängstlich hervor. »Ich muß gegen Traumbringer kämpfen, um dich zu
befreien.« Delia wurde blaß. »Er wird dich töten!«
Tyl schüttelte spöttisch den Kopf und nahm die Hände von ihren
Schultern. »Ich weiß dein Vertrauen in mich zu schätzen, Kleines.«
In ihre Augen traten Tränen. »Aber er ist so brutal und ... er
trägt Nats Skalp am Gürtel.«
»Das habe ich gesehen. Traumbringer ist in
dich vernarrt. Du kannst dir gratulieren, du hast schon wieder eine Eroberung
gemacht. Möchtest du vielleicht, daß er gewinnt, Kleines?«
Ihre Augen blitzen zornig. »Du bist ein verdammter Na ...« Sie
schluchzte unterdrückt. »O Tyl, ich würde es nicht ertragen, dich zu verlieren.
Dann können sie mich gleich umbringen.«
»Weder du noch ich werden sterben«, sagte er unwillig. Zwei
Indianer erschienen, er nickte, folgte den beiden und ließ sie stehen.
»Verdammter Kerl!« schimpfte sie laut.
Als Tyl es hörte, mußte er sich Mühe geben,
nicht zu lächeln.
Man brachte
Tyl zu einem kleinen Wigwam am See, damit er sich auf den Zweikampf vorbereiten
konnte. Er mußte fasten und sich unter Anleitung des alten Schamanen zu den
festgelegten Zeiten durch die rituellen Tänze und Übungen mit den Geistern
aussöhnen. Trotz allem, was er Delia gesagt hatte, bereitete er sich wie ein
richtiger Abenaki nicht nur auf den Kampf vor, sondern auch auf den Tod.
Er zog sich aus und rieb den Körper mit
Bärenfett ein. Er bemalte sein Gesicht in der Farbe des Sonnenaufgangs. Vom
Kinn aufwärts ging das Gelb allmählich in Weiß über. Es war für ihn das Symbol für den Anfang seines neuen Lebens mit Delia,
falls er sie gewann. Früher einmal hatte er an das Magische der rituellen
Bemalung geglaubt, aber mit jedem Tag, der verging, fühlte er sich mehr im
Einklang mit den geheimnisvollen, aber doch so einsichtigen Kräften der Natur.
Das stetige Abnehmen des Monds war keine Glaubenssache, und je dunkler die
Nächte wurden, desto strahlender standen die Sterne am Himmel. Sie verhießen
ihm das unendliche Leben, denn sie hatten Teil an dem Geschehen der Menschen
und standen im Kreislauf der Zeit als zuverlässige Wächter über allen Dingen.
Das Fasten und die Stille schärften seine Sinne. In ihm erwachten der Mut und
das Vertrauen in seine Liebe, und als im Lager seines Volks der Wolf heulte,
weil der alte Mond nicht mehr am Himmel erschien und die Wolfsnacht anbrach,
weil das Licht der Finsternis weichen mußte, bevor es sich erneuern konnte,
fühlte er sich zum Kampf bereit.
Er berührte den Lederbeutel, den er als
Amulett um den Hals trug. In ihm ruhte die Erinnerung an den Donnergeist, der
sich ihm als sein Manitu offenbart hatte. Er legte den Kopf zurück und sang
sein Todeslied, in dem er darum bat, daß er als Mann mit Würde und Mut starb, wenn
ihm der Tod bestimmt war. Er hatte dieses Lied in all den Jahren bei den
Indianern geübt, inzwischen seit mehr als zehn Jahren aber nicht mehr gesungen.
Es war eine rauhe, kehlige Klage, bei deren Klang den Leuten von Merrymeeting,
die ihn Dr. Tyl nannten und ihn als zivilisierten Arzt kannten, das Blut in den
Adern erstarrt wäre.
Die letzten Töne verklangen. Tyl senkte
nachdenklich den Kopf. Trotz allem, so mußte er sich auch jetzt eingestehen,
dachte er nicht als Abenaki, der an Träume, an Geister und an das Schicksal
glaubte, sondern als Engländer, der ein überzeugter Anhänger der Vernunft
war.
Tyl dachte an
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