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Penelope Williamson

Penelope Williamson

Titel: Penelope Williamson Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Widerspenstige
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vorwärts. Der Tobogan war wie die Schneeschuhe eine
Erfindung der Abenaki: ein kufenloser, langer Schlitten aus einem etwa dreißig
Zentimeter breiten Stück Holz, dessen vorderes Ende nach oben gebogen war. Er
wurde entweder von Menschen oder von Hunden gezogen. Der Tobogan glitt mit
einem leisen Zischen dahin, und der verharschte Schnee knirschte unter Tyls Schneeschuhen.
Trotz der schweren Last legte Tyl ein rasches Tempo vor. Er war den ganzen Tag
unterwegs gewesen, und er sehnte sich nach Delia.
    Blaue Rauchwolken stiegen in die Luft und verbreiteten den Geruch
von Tannenholz. Tyl erreichte den Kamm einer Anhöhe und blieb stehen. Im Tal
unter ihm lag das Dorf. Die grasgedeckten Dächer der Langhäuser hoben sich
schmutziggrau vor dem blütenweißen Hintergrund ab. Die Wigwams erinnerten an
Zuckerkegel oder an weiße Wespennester.
    Das Gebell der Hunde kündete Tyls Rückkehr
an. Aus den Hütten und den Wigwams tauchten Frauen auf, um ihn von seiner Last
zu befreien. Das Fleisch wurde in die Räucherhütte gebracht, um dort haltbar
gemacht zu werden. Ein Teil wanderte in die Gemeinschaftsvorräte, aber den
größten Teil erhielten die Familien des Clans, für den Tyl jagte. Die Muffel
behielt er für sich. Der fleischige Teil der Oberlippe und die Schnauze des
Elchs waren eine Delikatesse und blieben dem Mann vorbehalten, der das Tier
erlegt hatte.
    Auf dem Weg zu seinem Wigwam kam er an den
kahlen Pfosten anderer Behausungen vorbei, deren Häute und Wände abgenommen
worden waren. Im Winter, wenn die Nahrung knapp wurde, verließen viele Familien
das Dorf und zogen den jagdbaren Tieren in die verschneiten Wälder nach. Wegen
der eisigen Kälte verschwanden alle, selbst die Hunde wieder in den Hütten.
    »Delia!« rief Tyl fröhlich, als er die Riemen der Schneeschuhe
aufband und sie gegen einen Pfosten schlug, um den festgetretenen Schnee zu
entfernen. Er schlug die Klappe beiseite und trat gebückt in den Wigwam. »Wo
bist du? Ich friere, ich bin müde und will einen Kuß ...«
    Das letzte Wort kam ihm ganz leise über die Lippen. Aber sein
Lächeln erstarb, denn er sah, daß der Wigwam leer war. Delia besuchte sicher
Elizabeth und ihr Kind in Assacumbuits Langhaus. Trotzdem enttäuschte es ihn,
daß sie nicht da war, um ihn zu begrüßen, besonders weil er den ganzen
Nachmittag an sie gedacht hatte Nur die zwingende Aufgabe, auf die Jagd zu gehen, riß ihn von
ihrer Seite. Wenn es möglich gewesen wäre, nur von der Liebe zu leben, hätte er
den Wigwam überhaupt nicht mehr verlassen.
    Im Wigwam war es warm. Es duftete nach Myrtenwachskerzen und dem
Eintopf aus Mais, Ahornsamen und Grassamen, der auf den heißen Steinen stand
und simmerte.
    Er setzte sich auf die Matten am Feuer, um die feuchten Mokassins
auszuziehen, und nahm sich einen grollen Löffel von dem Eintopf. Sein
knurrender Magen erinnerte ihn plötzlich daran, daß er den ganzen Tag nicht
mehr gegessen hatte als ein kleines Stück Quitcheraw – einen Kuchen aus
getrocknetem, mit Ahornzucker gesüßtem Mais. Dabei war er alles in allem
wahrscheinlich weit mehr als zwanzig Meilen gelaufen und hatte auf dem Rückweg
den beladenen Tobogan gezogen.
    Er sah, daß Delia einen Rindeneimer mit geschmolzenem
Schnee an das Feuer gestellt hatte, damit er warmes Wasser vorfinden würde,
wenn er nach Hause kam. Nachdem er als Erwachsener immer allein gelebt hatte,
war es für Tyl jetzt der größte Luxus, plötzlich eine Frau zu haben, die alle
seine Bedürfnisse voraussah. Mit Delia hatte er es besonders gut getroffen: Sie
schien immer bereits vor ihm zu wissen, was er haben wollte. Er hatte versucht,
ihr zu sagen, es sei nicht nötig, daß sie ihn so verwöhnte, denn er war ohnehin
der glücklichste Mann auf der Welt. Mit einem liebevollen Lächeln erinnerte er
sich daran, was sie darauf geantwortet hatte: »Tyl, du bist ein Dummkopf!
Vergiß nicht, ich will auch etwas für unser Glück tun.« Das war typisch Delia!
Er stellte fest, daß er bereits beim Gedanken an sie lächelte. Bei Manitu, er
liebte sie so sehr ...
    Er schüttelte sich schuldbewußt beim Gedanken an den Tag im Wald
von Falmouth Neck, als sie ihn um seine Liebe angefleht hatte und er sie und
ihre Liebe zurückwies. Er dankte zum hundertsten Mal seinem Schutzgeist Bedagi,
dem Gitche-Manitu, und dem Christengott, daß er eine zweite Chance
bekommen hatte, diese außergewöhnliche Frau zu seiner zu machen.
    Sein Hunger war gestillt, die Füße wurden
warm, und Tyl blickte ungeduldig zum

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