Penelope Williamson
hinüberblickte, sah er nur ihren gesenkten Kopf. Ihre glänzenden schwarzen
Haare waren in der Mitte des Kopfs zinnoberrot gefärbt. Sie trug ein schönes,
mit bunt gefärbten Stachelschweinborsten besetztes Kleid, und um ihren Hals
hing eine Kette aus blauen und roten Glasperlen. In den vergangenen Wochen hatte
sie sich jeden Tag so aufwendig gekleidet. Sie wartete auf die Rückkehr ihres
Mannes ...
Traumbringer würde jedoch nie mehr nach Hause
kommen. Mit Schande bedeckt und vom Stamm verachtet, weil er den Kampf gegen
einen Yengi – auch wenn es sich dabei um Assacumbuits Stiefsohn handelte
– verloren hatte, war Traumbringer noch am selben Abend aus dem Dorf
verschwunden. Niemand hatte ihn seitdem gesehen. Bis auf Silberbirke
vermuteten alle, daß er zum heiligen Berg Katahdin gegangen war, um dort zu
tanzen, zu singen und zu fasten, bis er in die Geisterwelt seiner Träume
eingegangen war.
Es kam Wind auf, und die Rindenschindeln auf dem Dach begannen zu
klappern. Tyl wurde unruhig. Er wollte zu seiner Frau.
Er machte Anstalten aufzustehen. »Ich glaube,
ich gehe jetzt, um ...«
Assacumbuit legte ihm die Hand auf den Arm. »Nur ruhig, mein Sohn.
Sie sind erst vor einer Stunde aufgebrochen, und ich habe Silberbirkes Bruder
mitgeschickt, damit er auf sie aufpaßt.«
Tyl setzte sich widerstrebend, aber wie immer gehorsam. Er war dem
alten Fuchs wieder einmal auf den Leim gegangen.
Der Große Sachem lächelte und schüttelte die Schale. »Na,
wie wäre es mit einem Spielchen, während wir auf sie warten?«
Elizabeth Hooker steckte die Hände tiefer in den
Muff aus Bärenfell und spähte durch die Atemwolke in das Loch, das sie
zusammen in das Eis geschlagen hatten. »Ich sehe überhaupt nichts«, sagte sie.
»Man kann sie nicht sehen. Sie sind tief im Schlamm vergraben«,
erklärte Delia stolz auf ihr neu erworbenes Wissen.
Sie stocherte mit einem Speer, der eine
gegabelte Feuersteinspitze hatte, im nicht gefrorenen Schlamm auf dem Boden des
Sees. Pulwaugh, der junge Krieger, beobachtete sie mit zusammengekniffenen
Augen und kaute langsam auf einem Stück Tannenharz. Aber er unternahm nichts,
denn das Fischen war Frauensache.
»Tyl hat mir gezeigt, wie man es macht«, sagte Delia. Das galt
hauptsächlich dem jungen Abenaki, der, wie sie vermutete, besser Englisch
sprach, als er sich anmerken ließ. »Der große Yengi -Krieger Bedagi ist
nicht zu stolz, um seiner Frau zu zeigen, wie man Aale fängt.«
Plötzlich stach sie zu. Sie jubelte laut auf und zog schnell die
Gabel aus dem Wasser. An den Zinken der Speerspitze wanden sich zwei Aale mit
gelben Bäuchen.
»Gleich zwei!«
»Iiih!« Elizabeth fuhr erschrocken zurück. »Sie sehen schrecklich
aus!«
»Aber sie schmecken köstlich. Hast du noch nie gedünsteten Aal
gegessen?
Elizabeth drehte sich schaudernd um. »Doch. Aber ich wußte nicht,
daß sie so ... eklig aussehen, wenn sie noch leben.«
Delia lachte über Elizabeths kindisches Benehmen und spießte die
Aale auf einem Tragstock, der bereits schwer war von silbrigen Fischen, die sie
mit einer Leine aus Sehnen und einem Maisköder weiter draußen auf dem See in
einem Eisloch gefangen hatten. Plötzlich hallte ein dämonisches Gelächter durch
die Winterstille, ein langes gespenstisches: »Hoo-oo-oo, hoo-oo-oo ...«
Delia legte zum Schutz vor dem gleißenden Winterlicht die Hand
über die Augen und blickte nach oben. Über ihnen kreiste ein weißer Eistaucher.
»Das ist ein Bote Glooscaps«, sagte sie mit einem verträumten Lächeln. »Er
kündigt einen Sturm an.«
Sie konnte inzwischen keinen Eistaucher mehr sehen, ohne an einen
bestimmten Nachmittag zu denken ...
Nach den ersten spärlichen Schneefällen im
November hatte das Wetter umgeschlagen, und plötzlich war es wieder warm wie im
Sommer gewesen. Bei den Norridgewocks hatte man das gute Wetter für die
Vorbereitungen auf den Winter genutzt. Sie machten Nahrung haltbar, fertigten
Waffen, Geräte und Kleidung oder besserten sie aus, und sie gingen auf die
Jagd. Tyl beschloß, Delia mit in den Wald zu nehmen und ihr zu zeigen, wie man
Kaninchenschlingen legt.
Er hatte sie einiges über das Auslegen von Schlingen gelehrt. Er
zeigte ihr, wie man aus gedrehten Rindenfasern Schlingen macht. Er sagte ihr,
sie müsse immer vier machen, denn die Vier war wegen der vier Winde und der
vier Himmelsrichtungen eine heilige Zahl. Er hatte ihr ein Lied beigebracht,
das sie singen sollte, wenn sie die Schlingen leer fand, um die bösen Geister
zu
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