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Penelope Williamson

Penelope Williamson

Titel: Penelope Williamson Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Widerspenstige
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einatmete. »Ich
glaube, ich werde es überleben«, flüsterte er und lächelte.
    Ihre nassen Haare legten sich um seine Arme, als er sie zu sich
hinunterzog und sie langsam und liebevoll küßte. Dann lachte er. »Jetzt nehmen
wir ein Schneebad.«
    Delia wehrte sich, aber es half ihr nichts. Ungeachtet ihrer strampelnden
Beine trug er sie aus dem Wigwam hinaus. Der Himmel, die Sonne, der Schnee,
alles war weiß. Es war das blendende, strahlende, reine Weiß von glitzerndem
Eis. Winzige Kristalle trieben in der Luft, die so kalt war, daß die Haut
prickelte.
    Vor ihnen lag locker und weich wie ein Berg Daunen eine hohe
Schneewehe. Delia schloß die Augen und murmelte. »Wie kannst du nur so grausam
sein ...«
    Der Schnee war so trocken, daß er knirschte, und so kalt, daß der
Schrei, den sie ausstieß, in ihrer Kehle erstarb. Ihre vom Dampf gelockerten,
weichen Muskeln spannten sich wie Bogensehnen. Die Kälte traf sie mit einer
Schärfe, daß Delia sie zunächst überhaupt nicht spürte.
    Dann wurde sie wie zu dem Wasser, das auf die glühend heißen
Steine geschüttet wurde. Alles zischte und dampfte, und plötzlich erfüllte sie
vibrierendes Leben.
    Sein Gesicht schwebte über ihr. Winzige
diamantene Schneesplitter hingen in seinen dunklen Brauen. Seine Wangen waren
leuchtend rot. Seine Augen waren so blau, daß sie stärker blendeten als die
Sonne auf dem Eis.
    Obwohl Delia splitterfasernackt in der Schneewehe lag, fror sie nicht,
sondern fühlte sich warm und leicht.
    Aber dann verzog er den Mund zu einem schiefen Lächeln. »Allmächtiger,
ich friere mir die ...!«
    Lachend klammerten sie sich aneinander und kämpften sich aus dem
hohen Schnee heraus. Sie waren schon beinahe wieder auf den Beinen, als Delia
rief: »Tyl, sieh mal ...«
    Mitten im Schnee war ein Fleck brauner Erde, und darin blühte eine
winzige blaue, sternförmig Blume. Delia fuhr andächtig ganz leicht mit der
Fingerspitze darüber. Sie blickte in sein strahlendes Gesicht. Wie aus einem
Mund flüsterten sie: »Frühling.«
    Der Frühling
war laut und mit viel Lärm verbunden.
    Der Schnee fiel mit lauten Schlägen und Klatschen von den tief
geneigten Ästen. Nebelschwaden hingen über dem Eis auf dem See und dem Fluß,
das krachte und ächzte und stöhnte, und lange Risse durchzogen knackend die
gläserne Oberfläche. Das unablässige Tropfen der tauenden Eiszapfen an Dächern
und Bäumen erinnerte an das Trommeln von Regen. Überall hörte man das Geräusch
von Wasser – fließendes, strömendes, gurgelndes Wasser. Nach so vielen Monaten
schneegedämpfter Stille dröhnten die Geräusche des Frühlings in den Ohren der
Menschen.
    Eines Tages wechselte der Wind die Richtung und wurde warm und
feucht auf der Haut. In den Ahornbäumen begann der Saft zu steigen, und
hellgrüner Farn und Blumen wagten sich durch den schmelzenden Schnee. Die
ersten winzigen Blätter von Birke und Buche entrollten sich. Die Natur sang
einen einzigen lauten, sich ständig wiederholenden Ton: »Frühling ...«
    Die Leute von Merrymeeting hatten den langen Winter je nach
Stimmung und Laune in ihren Häusern ausgeharrt, entweder voll Resignation oder
Ungeduld oder voll Hoffnung.
    Man begrub die Toten und trauerte um sie, doch die kommenden
Monate bewiesen, daß das Leben weiterging. Zum Erntedank im November gab es
Kürbisbrot, Puffmais und geröstete Kastanien. Später wurde geschlachtet, und es
gab Speckgrieben und Würste. Weihnachten war die Zeit für Grüngemüse und
Fleischpasteten, und im März läuteten Met und Apfelschnaps das neue Jahr ein.
An Karfreitag wurden Kreuzbrötchen gebacken.
    Die Farmer am Kennebec, deren Häuser bei dem
Überfall verbrannt waren, lebten hinter den Palisaden. Entlang der Innenseite
hinter dem Schutzwall entstanden schnell niedrige Hütten, deren Dächer als Schießplattformen
dienten. Die Familien schliefen nachts in den Hütten. Tagsüber kochten und
lebten sie gemeinsam im Blockhaus. Die meisten Männer fällten in diesem Winter
noch viele große Kiefern, doch sie zogen nur schwerbewaffnet und in Gruppen in
den Wald. Im Hauptlager errichteten sie ein kleines, befestigtes Blockhaus, und
einige Männer, die keine Frauen hatten, blieben nach dem ersten schweren
Schneefall in den Hügeln.
    Oberst Bishop schickte seine Kundschafter aus, die ausschwärmten
und das Gebiet um die Siedlung durchstreiften. Die Familien in Merrymeeting und
die anderen, die es wagten, auf ihren abgelegenen Farmen zu bleiben, lauschten
mit einem Ohr ständig

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