Penelope Williamson
und niedergeschlagen
aus, daß der Oberst versprach, im Frühjahr als erstes einen Turm auf
das Bethaus bauen zu lassen. Er hoffte, dem armen Mann damit wenigstens ein
Lächeln zu entlocken, aber vergebens.
Am ersten April schien die Sonne so warm, daß der Schneemann einen
Arm verlor und sein Gesicht mit den Knopfaugen. Wie Tildy Parker sagte, wurde
er »ganz matschig«.
Anne Bishop ging, begleitet von den Parker-Mädchen, mit einem
Körbchen hinaus, um am Waldrand im Osten der Rodung um die Palisaden
Frühlingsgrün zu sammeln. Nachdem sich die Siedler den Winter über
ausschließlich von Schweinefleisch und Maisbrei ernährt hatten, aßen sie stets
mit großem Appetit die ersten zarten Löwenzahnblätter und Farntriebe.
Tildy war noch zu klein, um zwischen Eßbarem und Ungenießbarem zu
unterscheiden. Deshalb erhielt sie ein eigenes Körbchen. Sie hockte sich vor
einen vielversprechenden Fleck. Ihre langen Ärmel hingen im Schneematsch, und
sie fragte: »Wenn das Frühlingsgrün ist, bedeutet das, es ist Frühling?«
Anne Bishop unterdrückte ein Seufzen, denn sie wußte, was als
nächstes kam.
»Warum heißt es wohl Frühlingsgrün, du dummes Ding?« fuhr Meg sie
an. Sie stellte ihr Körbchen auf den Boden und machte ein finsteres Gesicht.
Tildy strahlte. »Und wann kommt meine neue
...?«
»Bald«, sagte Anne und strich dem kleinen Mädchen über den Kopf.
»Delia wird bald hier sein. Es dauert aber noch ein Weilchen.«
Meg stieß plötzlich einen schrillen Schrei aus und versetzte ihrem
Körbchen einen so heftigen Tritt, daß es zwischen die Bäume flog.
»Sie lügt!« Meg sah Anne mit wutverzerrtem Gesicht an. »Sie lügen
... lügen ...«
Anne sank auf die Knie und nahm das Mädchen in die Arme. »Meg?
Warum weinst du?«
Meg schluchzte laut. »Glauben Sie, ich weiß nicht, daß sie t ...
tot ist? Die Indianer haben sie skalpiert und umgebracht, genau wie ... genau
wie die anderen. Sie sagen das nur so, daß sie zurückkommt. Aber sie
kommt nie mehr. Sie lügen ...«
Annes große Hände umfaßten Megs magere Schultern. Sie hielt das
Mädchen auf Armlänge von sich, damit sie Meg in die Augen blicken konnte.
»Meg, hör mir jetzt gut zu. Ich war im
Wohnzimmer und war dabei, wie Jefferson gesagt hat, daß Dr. Tyl deine Mama
gefunden hat und daß sie lebt. Mrs. Hooker, du erinnerst dich doch, sie sollte
ein Kind bekommen, also Mrs. Hooker hatte mit dem Kind Probleme, und deshalb
konnten sie nicht sofort zurückkommen. Aber inzwischen ist das Kind geboren,
und sehr wahrscheinlich sind sie jetzt, verstehst du, in diesem Augenblick,
schon unterwegs hierher.« Sie schüttelte Meg sanft. »Bald, mein Schatz. Deine
Mama wird bald zu Hause sein.«
Meg schluchzte trocken und reckte das spitze
Kinn. »Delia ist nicht meine Mama.« Dann begann das kleine Kinn aber zu
zittern, und in ihren Augen standen schon wieder Tränen. »A-aber ich will, daß
sie nach Hause kommt. Ich w-will, daß sie wieder bei uns ist. Ich w-will, daß
alles so ist, wie es war ...«
Anne drückte das Mädchen fest an sich. »Schatz, das wird sie. Sie
wird zurückkommen. Ich verspreche es.«
»Wohin rennt der Mann da drüben?« rief Tildy.
Annes Kopf fuhr herum, und sie blickte in die
Richtung von Tildys ausgestrecktem Finger. Der Mann entdeckte sie in diesem
Augenblick, änderte seine Richtung und lief auf sie zu. Beim Näherkommen sah
Anne, daß es sich um einen der Kundschafter handelte, die der Oberst am Vortag
ausgeschickt hatte.
»Ich habe sie gesehen!« rief er schon von weitem. »Ich habe sie
kaum fünf Meilen von hier flußaufwärts gesehen. Sie müßten vor dem Dunkelwerden
da sein ...«
Annes Herz klopfte bis zum Hals, und sie bekam vor Angst einen
trockenen Mund.
Abenaki, dachte sie und umklammerte Megs Arm so fest, daß das
Mädchen leise aufschrie. Erst dann sah Anne, daß der Mann lachte.
»Hank Littlefield, Sie haben mich so
erschreckt, daß mich das Jahre meines Lebens kosten wird. Wovon zum Teufel
reden Sie überhaupt?«
Er sah sie nachsichtig an, weil sie offenbar nicht sofort begriff,
um wen es ging. »Natürlich von Dr. Tyl und den Frauen ... und dem Kind! Mrs.
Hooker hat einen kleinen Jungen. Er hat goldblonde Haare, und wenn er schreit,
läuft es einem kalt über den Rücken. Ich bin überrascht, daß ihr ihn hier unten
nicht gehört habt.« Er lachte schallend.
Anne stand auf und nahm die Mädchen bei der Hand. Sie blickte in
ihre großen fragenden Augen und sagte: »Tildy, Meg, eure Mama ist nach
Weitere Kostenlose Bücher