Penelope Williamson
das wir jetzt unser Land nennen, lange vor uns
gefischt und gejagt. Ihr Leben verlief in einem Frieden und in einem
wundervollen Einklang mit ihrer Umgebung, wie wir es niemals erreichen werden.«
»Du verteidigst sie, nach allem, was sie dir
angetan haben? Sie sind Heiden, Elizabeth. Sie glauben nicht an Gott,
den himmlischen Vater.«
»Der Große Geist ist unser aller Vater, und die Erde ist unsere
Mutter ...«
Sie trat neben ihn und blickte in die
Flammen. Sie legt ihm sanft die Hand auf die Schulter. »Eine Abenaki-Frau hat
mir das gesagt. Sie heißt Silberbirke, und sie ist der liebenswürdigste und
großzügigste Mensch, den ich je getroffen habe. Sie wurde meine besondere
Freundin, obwohl ich ...«, sie lachte. Es klang beinahe wie ein leises
Zwitschern, und Caleb erschrak, weil es so überraschend kam. »Es war wirklich
sehr lustig. Sie dachten alle, ich wäre Dr. Tyls Awakon.«
Der gutturale Klang des Indianerwortes aus Elizabeths zartem Mund
entsetzte Caleb. »Was?« fragte er verblüfft.
»Seine Sklavin. Sie dachten, ich wäre Tyls
Sklavin.«
»Sklavin?«
Sie lachte wieder. »Er hat mich dem Mann, der mich gefangengenommen
hatte, für fünf Biberfelle abgekauft. Silberbirke hat mir ständig Ratschläge
gegeben, was ich tun sollte, um Tyl soweit zu bringen, daß er mich zu seiner zweiten
Frau macht.«
Die Unbekümmertheit, mit der sie über Sklaverei sprach und
darüber, daß sie ver- und gekauft worden war, verblüffte Caleb so sehr, daß es
einen Augenblick dauerte, bis ihm die volle Bedeutung ihrer Worte aufging.
Dann blieb ihm der Mund offenstehen. »Seine zweite Frau?«
Elizabeth zuckte schuldbewußt zusammen und wandte sich ab. »Elizabeth, willst
du damit andeuten ...«
Sie drehte sich schnell um und schnitt ihm das Wort ab. Ihre
Stimme klang hart. »Das mußt du verstehen, Caleb. Sie dachten, Nat wäre tot.
Der blonde Skalp hing den ganzen Winter über am Pfahl neben der Plattform, wo
sie ihre Gefangenen martern. Wir haben ihn jeden Tag gesehen.«
Skalp ... Pfahl ... Plattform ... martern ...
Caleb glaubte, sein Herz müsse stehenbleiben.
Er fuhr sich mir der Zungenspitze über die Lippen und versuchte, ein strenges Pfarrergesicht
zu machen. »Willst du damit sagen, Tyl und Delia haben in diesem Indianerdorf
offen als Mann und Frau zusammengelebt?«
»Tyl hat mir und deinem Kind das Leben gerettet.«
»Das mildert nicht die Schwere der Sünde.«
»Sünde? Ich dachte, mit der Sünde gehe die Absicht einher. Sie
glaubten, Mr. Parker sei tot. Und sie wurden in einer Zeremonie der Abenaki
verheiratet.« Sie kniete zu seinen Füßen und umklammerte seine Knie. »Caleb,
sie lieben sich so sehr. Ich habe noch nie zwei Menschen gesehen, die so mit
Liebe gesegnet sind. Sie haben zusammen soviel Freude am Leben gefunden, soviel
Freude aneinander ...«
Sie wandte das Gesicht ab. Doch Caleb entging nicht, daß sie
errötete. »Wenn sie zusammen waren«, flüsterte sie, »konnte man sehen ...
konnte man die Leidenschaft sehen, die sie füreinander empfanden.
Manchmal ... manchmal habe ich mich gefragt, wie es wäre, diese Leidenschaft
selbst zu erleben.«
Caleb schluckte schwer. Nachdem er von Elizabeths Schwangerschaft
erfuhr, hatte er es nicht mehr gewagt, seine Frau zu berühren. Aber er dachte
oft an all die Dinge, die Tyl Savitch ihm an jenem heißen Augustmorgen beim
Brandy erzählt hatte. Er dachte, Elizabeth müsse entsetzt und angeekelt sein
von dem, was Tyl so anschaulich beschrieben hatte. Jetzt fragte er sich ...
Und wenn, dachte er, wenn ich jetzt mit ihr ins Schlafzimmer gehe,
wenn ich sie an diesen Stellen küsse und berühre, die er mir aufgezählt hat ...
an allen diesen Stellen ...?
Aber schließlich sah Elizabeth ihn mit ihren blauen Augen
an. Ihre Lippen öffneten sich zu einem Lächeln, und dann fragte sie: »Willst du
mich, Caleb?«
Delia stieg auf die letzte Sprosse der Leiter und trat auf den Wehrgang.
Tyl war bereits da. Er lehnte an den runden, angespitzten Palisaden, hatte die
Arme vor der Brust verschränkt und die langen Beine gekreuzt. Es war eine
lässige, nonchalante Haltung, aber die Luft um ihn herum knisterte vor Spannung
und Zorn.
In Abständen von weniger als zwei Metern brannten Kiefernfackeln
in den Halterungen. Sie erhellten Tyls Gesicht und betonten die dunklen
Schatten der Bartstoppeln und den harten Mund.
Delia wollte sich ihm an die Brust werfen. Sie brauchte den Halt
und den Trost seiner Arme. Sein Zorn verletzte und enttäuschte sie und
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