Penelope Williamson
Wirts erinnerte und an
die Indianer und ihre schrecklichen Foltern dachte. Vielleicht schlichen diese
Bestien in Menschengestalt gerade durch den Wald und warteten auf den Einbruch
der Nacht und den Regen, um die friedlichen Menschen in diesem kleinen Dorf zu
überfallen ...
Mit heftig zitternder Hand schloß sie die
Fensterläden und verriegelte sie. Entschlossen kehrte sie dann dem Fenster den
Rücken zu und sah sich in dem schäbigen Raum mit den schrägen Wänden um.
In einer Ecke befand sich ein eingebautes
Bett. Die Matratze war mit Lumpen und Maishülsen gefüllt. In den Laken wimmelte
es vermutlich von Läusen und Wanzen. Elizabeth lief ein Schauer über den
Rücken. Wenigstens darauf war sie vorbereitet, denn ihre Mutter hatte sie
ermahnt, das eigene saubere Bettzeug so zu packen, daß es auf der Fahrt immer
griffbereit war.
Elizabeth ging zu der Truhe, die Caleb noch
vor dem Essen in das Zimmer gebracht hatte. Auf dem Deckel lag die Bibel. Elizabeth
kniete nieder und strich mit der Hand über den Ledereinband.
Caleb war ein guter Mann. Er war freundlich und fürsorglich. Aber
im Laufe des endlos langen und schrecklichen Tages hatte sie ihn zuweilen
gehaßt, weil er sie aus ihrer Familie herausgerissen hatte und sie dazu zwang,
das Holpern des Wagens, den Staub und die Fliegen zu ertragen. Jetzt überkamen
sie deshalb Schuldgefühle, denn schließlich mußte sie ihrem Mann in allen
Dingen gehorchen und durfte niemals an ihm zweifeln.
Elizabeth preßte die Lippen zusammen. Morgen würde sie tapferer
sein und ihm keine Schande machen. Nur heute war sie schwach geworden, denn der
erste Tag schien einfach unerträglich zu sein und kein Ende zu nehmen.
Sie stand auf, nahm das Bettzeug ab und bezog es mit den eigenen
Laken und Decken. Die Wolle für die Decken hatte sie selbst gesponnen. Sie
hatte auch die Leintücher gewebt, und voll Stolz strich sie mit den Händen
darüber. Das Bettzeug gehörte zu der Aussteuer, die sie von den Eltern erhalten
hatte, als sie vor zwei Monaten Caleb die Hand zum Ehebund reichte. Am
Hochzeitstag hatte sie ihrem Mann jedes einzelne Stück der Aussteuer gezeigt,
und er hatte erklärt, niemand könne sich in der Wahl seiner Frau glücklicher
preisen als er.
Bekümmert fragte sie sich oft, ob Caleb jetzt, nachdem er sie besser
kannte, noch immer so dachte.
Elizabeth zog die Decke glatt und schob das
Fußende unter die Matratze. Der Einbruch der Dunkelheit und der Gedanke an
Caleb lösten bei ihr auch ein flaues Gefühl in der Magengrube aus. Früher hatte
sie sich immer über die Abenddämmerung gefreut, denn sie war die stille Zeit
des Tages, in der sich die Familie um das offene Feuer im Kamin versammelte.
Aber seit ihrer Hochzeit überkam sie Angst, wenn der Tag zu Ende ging und die
Nacht anbrach, denn sie fürchtete sich davor, daß Caleb in der Dunkelheit seine
ehelichen Rechte einforderte.
Elizabeth wehrte sich nie, wenn er mit ihr
schlafen wollte, denn es war ihre Pflicht. Sie war jedoch mehr als dankbar
dafür, daß Caleb es nicht so oft tat. Sie vermutete, daß ihm die
geschlechtliche Vereinigung mit ihr Befriedigung verschaffte, obwohl er nie darüber
sprach. Es war nicht richtig, daran Vergnügen zu finden. Die Bibel äußerte sich
in dieser Hinsicht klar und deutlich. Der körperliche Akt war natürlich zur
Fortpflanzung notwendig, und deshalb mußte sich eine Frau ihrem Mann fügen.
Auch das sagte die Bibel klar und deutlich.
Am Abend vor der Hochzeit hatte ihre Mutter
sie behutsam auf das Bevorstehende vorbereitet. Sie hatte ihr gesagt, es werde
anfangs weh tun, und sie werde etwas bluten.
Das Bluten hatte zwar nach dem zweiten oder
dritten Mal aufgehört, aber es tat immer noch weh. Elizabeth hatte stets
Schmerzen dabei, obwohl einiges auch angenehm war. Er gab ihr zum Beispiel
vorher jedesmal einen zärtlichen Kuß und streichelte sie kurz, bevor er sich
auf sie legte. Hinterher flüsterte Caleb, daß er sie liebte. Aber wenn er in
sie eindrang, hatte sie Schmerzen. Deshalb fand sie das Ganze schrecklich. Es
tat weh, und sie fühlte sich so ... so hilflos und ohne jeden eigenen
Willen. Ja, das war die Wahrheit – ohne eigenen Willen!
Elizabeth kleidete sich schnell aus und zog das Nachthemd an,
bevor Caleb in der Kammer erschien. Sie saß gerade auf dem einzigen Stuhl und
zog die Hornnadeln aus den Haaren, als die Tür aufging. Ein kalter Luftzug
wehte durch den Raum, und er trat ein.
»Ich habe eine Lampe mitgebracht«, sagte er
und hielt schützend die
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