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Penelope Williamson

Penelope Williamson

Titel: Penelope Williamson Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die Widerspenstige
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angewurzelt stehen, drehte sich um und rannte zum
Fluß. Er lief verblüfft hinter ihr her und konnte sie gerade noch daran
hindern, ins Wasser zu springen.
    »Delia! Bist du verrückt? Was hast du vor?« rief er und hielt sie
fest, obwohl sie sich heftig gegen ihn wehrte. Der Boden war naß, er verlor den
Halt und stürzte mit ihr in den Schlamm.
    »Meine Schuhe, Tyl!« jammerte sie. »Tyl, ich habe meine Schuhe
verloren ...«
    »Delia!« Er legte so fest die Arme um sie, daß sie beinahe keine
Luft mehr bekam. Aber trotzdem versuchte sie immer noch, sich zu wehren.
Schließlich schüttelte er sie heftig. »Vergiß die Schuhe! Sie sind längst
davongeschwommen. Ich kaufe dir neue ... so viele du willst.«
    Sie gab schließlich nach. Mit Tränen in den Augen sagte sie: »Aber
es waren die ersten, Tyl! Und das 'erste Mal' gibt es immer nur einmal ...«
    »Ach Delia ...«, sagte er beruhigend, während
sie sich schluchzend an ihn klammerte, »du mußt nicht weinen ... du mußt wirklich
nicht weinen ...«
    Es sind doch nur Schuhe, dachte Tyl verwundert. Er verstand einfach
nicht, weshalb diese Schuhe eine so große Bedeutung für sie hatten. Sie aber
weinte, als sei ihr Herz verloren.

8
    Am nächsten Morgen regnete es in Strömen. Delia saß allein in der
Gaststube vor dem offenen Kamin und wärmte sich. Als sie das Klappern von Hufen
hörte, stand sie schnell auf und trat ans Fenster. Sie sah, wie Tyl den
Stallburschen rief, um ihm seinen Hengst und eine zierliche rotbraune Stute zu
übergeben. Ohne auf den Regen zu achten, rannte sie hinaus.
    »Oh Tyl, hast du mir ein Pferd gekauft?«
    »Ich habe keine Lust mehr zu laufen«,
erwiderte er brummig, aber Delia war inzwischen daran gewöhnt, daß er morgens
schlechte Laune hatte, und sah ihn strahlend an. »Außerdem hatte ich es dir
versprochen«, fügte er mürrisch hinzu und nahm der Stute die langen Zügel ab.
Delia streichelte das Pferd am Hals. Die Stute wieherte und schnaubte. Delia
wich ängstlich zurück. Sie glaubte, Tyl werde sie auslachen, aber er kniff die
Augen zusammen und befahl dem Knecht, die Stute sorgfältig trockenzureiben.
Nachdem die Tiere im Stall waren, nahm er Delia bei der Hand und lief mit ihr
schnell zum Gasthaus zurück. Unter dem Vordach blieb er stehen, nahm den
Lederumhang ab und schüttelte sich das Regenwasser aus den Haaren. Dann ging er
zu den Satteltaschen, die bereits neben dem anderen Gepäck zum Aufbruch bereit
lagen.
    »Ich habe leider keine passenden Schuhe für dich finden können.
Der einzige Schuster in der Gegend hat so viel zu tun, daß er erst in zwei
Tagen die Zeit hätte, ein Paar zu nähen. Und so lange können wir nicht warten,
Delia.«
    »Das macht doch nichts, Tyl«, beruhigte sie ihn schnell, obwohl
sie der Gedanke an die im Fluß verlorenen Schuhe traurig machte. Der Verlust
erschien ihr wie ein Urteil des Himmels: Ihr war nicht zugedacht gewesen, diese
Schuhe zu tragen, und ebensowenig war ihr Tyls Liebe bestimmt. Sie kämpfte mit
den Tränen. »Ich brauche keine Schuhe, Tyl. Außerdem muß ich nicht mehr laufen,
sondern kann reiten.«
    Tyl schien ihr nicht zuzuhören. Er hatte eine
Satteltasche geöffnet und suchte etwas darin. »Vielleicht kannst du die hier
tragen, bis wir ein paar richtige Schuhe für dich finden.« Er richtete sich auf
und hielt ein Paar weiche weiße Wildledermokassins in den Händen. Sie waren
kunstvoll mit rot und blau gefärbten Wildschweinborsten und bunten Holzperlen
besetzt. Die Mokassins waren so schön, daß Delia nicht wagte, sie anzufassen.
    »Tyl ...«
    Er drückte ihr die Mokassins in die Hände.
»Willst du sie nicht?«
    Sie sah ihn fragend an. Er hatte die Lippen fest aufeinandergepreßt.
An seinen Augen sah sie, wie aufgewühlt er war, und das machte ihr wie immer
Angst. Sie fühlte sich plötzlich so klein und hilflos. Was wollte er von ihr?
    »Aber Tyl«, flüsterte sie. »Sie sind zu schön. Ich kann sie nicht
tragen ...«
    »Natürlich kannst du sie tragen. Setz dich«,
befahl er ihr und deutete auf eine Bank an der Hauswand neben der Eingangstür.
»Ich werde sie dir anziehen.«
    Die Veranda schien plötzlich für sie beide zu klein zu sein. Sie
drehte sich um, als habe sie vor, in den Regen hinauszulaufen. Er legte ihr die
Hand auf den Arm, und sie zuckte zusammen. Dann ging sie schweigend zu der Bank
und setzte sich.
    Der böige Wind peitschte den Regen über den Hof, aber auf der
Veranda war es trocken. Tyl kniete vor ihr nieder. Sein Hemd stand offen, und
ihr Blick

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