Penelope Williamson
der
Löffel in schnellem Rhythmus gegen die Holzschüssel schlug. Delia saß ihr
gegenüber auf einem Schleifstein und schnippte Bohnen aus den Schoten. Die
Bohnen und der Löffel verursachten die einzigen Geräusche in der lastenden
Stille.
Der kleine Tobias drehte geduldig eine
Hirschkeule über dem Feuer. Sonst war niemand im Raum. Delia spürte, daß Susan
sich nicht wohl in ihrer Gesellschaft fühlte. Aber auch ihr bereitete die
Situation ein leichtes Unbehagen.
Sie hatten alle zusammen gerösteten Mais
gegessen und ein paar Gläser von Susans Eierlikör, eine köstliche Mischung aus
gesüßtem Bier mit Ei und Rum, getrunken. Tyl und Caleb waren danach so müde,
daß Tyl sich nur mühsam aufraffen konnte, um Kapitän Abbott aufzuspüren. Der
Kapitän sollte sie am nächsten oder am übernächsten Tag nach Merrymeeting
bringen. Caleb begleitete ihn tapfer, wenn auch etwas unsicher auf seinen
dünnen Beinen. Der alte Jefferson hatte hinter dem Haus am Waldrand ein Zelt aus
Häuten aufgeschlagen und pflegte seine Squaw, die wie befohlen Fischsuppe essen
und den Tee gegen Durchfall trinken mußte.
Susan blickte nach einer Weile auf die geschlossene Tür, die zu
einem kleinen abgetrennten Raum führte, in dem sie und ihr Sohn schliefen.
Dorthin hatte sich Elizabeth Hooker wegen heftiger Kopfschmerzen vor einer
Stunde zurückgezogen.
»Ist Mrs. Hooker krank?« fragte Susan und unterbrach damit
schließlich das bedrückende Schweigen.
Delia zuckte mit den Schultern. »Ich glaube nicht, aber die lange
Fahrt auf dem Ochsenwagen strengt sie sehr an. Sie ist an ein leichteres Leben
gewöhnt. Ihr Vater ist Pfarrer an der Brattle Street Church in Boston.«
Susan verzog geringschätzig das Gesicht, und
Delia erkannte zu spät, daß sie Elizabeth unbeabsichtigt in ein schlechtes
Licht gerückt hatte. Sie wollte das wiedergutmachen und fügte schnell hinzu:
»Mrs. Hooker war auf der ganzen Fahrt immer sehr nett zu mir.« Aber auch diese
Bemerkung löste bei Susan keineswegs freundlichere Gefühle aus. Sie stellte den
Teig zum Gehen neben den Herd und sagte zu ihrem Sohn: »Toby, lauf zum
Brunnenhaus und hol mir einen Krug Milch.«
Der kleine Tobias nickte eifrig und rannte hinaus. Delia sagte:
»Ihr Sohn ist sehr gehorsam, aber er redet nicht viel.«
»Jetzt ist er noch schüchtern, aber bis heute abend wird er soviel
reden, daß Ihnen die Ohren weh tun.«
Susan richtete sich leise stöhnend auf und wischte die Hände an
der Schürze ab. Nachdem Tyl gegangen war, hatte sie sich umgezogen. Sie trug jetzt einen weiten Leinenrock und
ein enganliegendes Mieder aus feingestrickter Wolle. Um den Kopf hatte sie ein
kariertes Tuch geschlungen, das ihr bis auf die Schultern fiel. Die straff
zurückgekämmten Haare brachten den fein geschwungenen Mund, die kesse Stupsnase
und das zarte kleine Kinn vorteilhaft zur Geltung.
Sie ist schön, dachte Delia verunsichert. Sie ist das ganze Gegenteil
von mir ...
Als Susan sich umdrehte, senkte Delia schnell
den Kopf und blickte auf die Bohnen in ihrem Schoß. Sie spürte, wie sich die
Augen der anderen Frau fragend und prüfend auf sie richteten. Unbewußt setzte
sich Delia gerade und drückte die Füße kaltsuchend seitlich gegen den
Schleifstein.
»Das sind hübsche Mokassins«, sagte Susan und zwang sich zu einem
Lächeln.
Delia sah Susan triumphierend an. »Tyl hat sie mir geschenkt. Sie
haben seiner Mutter gehört.«
Susans Mundwinkel sanken nach unten, und Delia fühlte sich noch
stärker.
»Ach ... wie nett von ihm«, murmelte Susan.
Delia holte tief Luft. Das vorsichtige Abtasten entsprach nicht
ihrem Wesen. Sie mußte die Wahrheit wissen, aber die würde sie nur erfahren,
wenn sie den Mut aufbrachte, danach zu fragen.
»Ist ... ist Tyl Ihr Liebhaber?«
Susan wurde dunkelrot. »Natürlich nicht! Wie
können Sie wagen, so etwas auch nur zu denken!« rief sie empört, aber die heftige
Reaktion bewies, daß Susan sehr wohl an »so etwas« dachte.
Es wurde wieder ungemütlich still. Schließlich
fragte Susan: »Sie wollen also nach Merrymeeting, um Nathaniel Parker zu heiraten?«
»Ja ..., das heißt, wenn wir zusammenpassen.«
Susan sagte nichts. Deshalb fragte Delia nach einer langen Pause:
»Warum heiraten Sie ihn eigentlich nicht?«
Susan nahm den Topf mit den Bohnenkernen vom Tisch und stellte ihn
mit einem lauten Knall auf den Herd. Sie stieß hörbar die Luft aus und
antwortete dann: »Er hat bis jetzt nicht um meine Hand angehalten.«
Delia unterdrückte ein
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