Penelope Williamson
Feuerschein,
aber nicht die Flammen, denn das Lager befand sich im Schutz einer Klippe und
lag im Halbrund der Bucht. Durch die Stille drang undeutlich Calebs tiefe
Stimme zu ihr herüber, der seiner Frau aus der Bibel vorlas. Dann hörte sie
Schritte auf dem Sand.
Delia bewegte sich nicht, auch dann nicht, als er ihr den Umhang
um die Schultern legte. Seine Hand verharrte zögernd auf ihrem Rücken, aber
dann ließ er sie sinken.
»Ich dachte, du frierst vielleicht«, sagte er.
Als sie nichts erwiderte, trat er vor sie, ohne auf die Wellen zu
achten. Er schob ihr einen Lavendelzweig in die Haare und lächelte sie etwas
verlegen an.
»Du bist nicht wütend auf mich, Delia. Das glaube ich nicht. Also
spiel mir nichts vor.«
Oh, er war ein echter Schurke und konnte mit seinem Unschuldslächeln
jede Frau betören, die ihm über den Weg lief. Vermutlich hatte er darin große
Übung.
Bei dem Gedanken mußte sie beinahe lachen, aber sie sagte schnell:
»Du glaubst wohl, wenn du jetzt nett zu mir bist, ist alles vergeben und
vergessen.«
Er lachte. »Weiß Gott, bis jetzt habe ich nichts getan, was du mir
vergeben müßtest.«
»He ...!« rief sie empört, aber er nahm sie einfach in die Arme,
und sie wehrte sich nicht. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis seine Lippen
sich auf ihren Mund senkten, aber auch dann küßte er sie nicht, sondern
liebkoste sie nur zärtlich mit seinem warmen Atem.
»Du willst mich, Delia.«
Das Wort wollte ihr nicht über die Lippen, aber dann sagte sie:
»Nein.«
»Doch.«
»Ich ...«
»O ja, ich kann dich soweit bringen, daß du
mich willst.«
Sie wehrte sich nicht, als sie seine Zunge in
ihrem Mund fühlte.
Sie stöhnte leise, nur seine Hand auf ihrem Rücken schien sie
aufrecht zu halten. Sie griff nach seinem Kopf und überließ sich seinen
Küssen. Plötzlich löste er sich jedoch von ihr und wich zurück. Sie sah seine
Zähne blitzen, als er leise lachend sagte: »Du willst mich, Delia. Aber ich
glaube, das nächste Mal werde ich dafür sorgen, daß du mich darum
bittest.«
Er drehte sich um und ließ sie einfach am Strand stehen. Und nun
wollte sie ihn wirklich, ganz so, wie er es gesagt hatte.
9
Überall in
Falmouth Neck roch es nach Seife.
Der Geruch kam aus einem großen Hof, in dessen Mitte ein altes
befestigtes Blockhaus stand. Es war der Handelsposten für die ganze Gegend. Das
Haus stand etwas erhöht gegenüber dem großen Landungssteg, der weit in die
Casco Bay hinausführte. Eine junge Frau und ein kleiner Junge rührten in einem
großen Eisenkessel, der an einer Kette über der Glut hing, brodelnde Lauge aus
Fett und Holzasche, die zu Seife werden sollte.
Als Tyl auf den Hof ritt, unterbrach die Frau
ihre Arbeit. Sie schob sich unwillig die feuchten Haarsträhnen aus dem verschwitzten
Gesicht, aber als sie ihn erkannte, strahlte sie glücklich.
»Tyl!« rief sie, ließ alles stehen und liegen und rannte ihm entgegen.
Er sprang vom Pferd, und sie fielen sich in die Arme. Tyl hob sie hoch und gab
ihr einen Kuß.
Delia folgte langsam auf ihrer Stute mit Caleb und Elizabeth. Sie
beobachtete die stürmische Begrüßung mit einem unsicheren Lächeln. Die Frau war
zierlich und blond. Da sie einen großen Kessel Seife kochte, war sie
vermutlich auch immer sehr sauber. Delia zweifelte nach dieser Begrüßung nicht
daran, daß es eine der Frauen war, wie Tyl sie sich wünschte.
Die Frau löste sich schließlich aus seinen Armen, trat einen
Schritt zurück und musterte ihn von Kopf bis Fuß. »Es scheint dir gutzugehen!«
rief sie lachend und griff sich unsicher in die ungekämmten Haare. »Es ist
wirklich nicht nett von dir, mich jedesmal zu überraschen, wenn ich mitten in
der Arbeit bin.«
»Du siehst wie immer hinreißend aus, Susan«, erwiderte Tyl liebenswürdig.
Die Hookers stiegen von ihrem Wagen, und auch
Delia saß ab, aber sie hielt sich zurück, als Tyl seine Reisebegleitung
vorstellte. Die Frau hieß Susan Marsten. Sie war verwitwet und betrieb nach dem
Tod ihres Mannes die Handelsstation weiter. Der kleine Junge war ihr
fünfjähriger Sohn Tobias. Tyl legte ihm väterlich die Hand auf den blonden
Wuschelkopf. Susan stand die ganze Zeit so dicht neben Tyl, daß sich ihre
Schultern berührten.
Die drei sehen wie eine Familie aus, dachte Delia unwillkürlich
und mußte augenblicklich mit ihrer Eifersucht kämpfen.
»Wir freuen uns alle, daß Sie kommen,
Reverend«, sagte Susan zur Begrüßung. »Auch Sie sind herzlich willkommen,
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