Penelope Williamson
Jagdtrophäe zu erhalten,
einfach nicht ablehnen.
Es war
schon feige genug gewesen, die Lunte nicht abzulehnen, aber es wäre eine noch
größere Feigheit gewesen, sie jetzt nicht zu nehmen.
Sie griff
danach und bemühte sich dabei, seine Finger nicht zu berühren. Dann drehte sie
sich um und ging langsam über den Platz zum Haus, als sei ihr alles vollkommen
gleichgültig.
Im Haus legte sie den blutigen
Fuchsschweif behutsam auf die Marmorplatte der Garderobe in der Halle. Sie zog
ihr Taschentuch hervor und versuchte, das Blut von den hellen handgenähten
Glace-Reithandschuhen, die aus dem Hause Worth in Paris stammten, zu entfernen.
Aber obwohl sie rieb und rieb, verschwanden die roten Flecken nicht.
Später am
Abend, als sie die Handschuhe in die satingefütterte Schachtel legte, fragte
sie sich, wie das Blut des kleinen, toten irischen Jungen an das Leder gekommen
war, obwohl sie ihn nicht berührt hatte.
Drittes Kapitel
Bethel Lane
Tremayne preßte die Lippen zusammen, bis sie so schmal wurden wie ein
Knopfloch. Sie eilte den Weg entlang, der zur alten Orangerie führte. Und mit
jedem Tritt ihrer Absätze auf die Pflastersteine wuchs ihr Zorn.
Was sich ihre Tochter wieder
herausgenommen hatte! Was war sie doch nur für eine ... eine ...!
Aber es fiel ihr kein Wort ein, das auch nur annähernd
hätte beschreiben können, welche Last ihre Tochter Emma für sie war. Bethel
kam nicht gerne in die alte Orangerie. Nachdem es das neue Gewächshaus in der
Nähe des Wohnhauses gab, wurde die alte Orangerie nicht mehr benutzt.
Emma hatte
sie sich jetzt zu eigen gemacht, und Bethel dachte nur ungern darüber nach, was ihre Tochter dort mit Meißel, Hammer und Sandstein anstellte. All das
gehörte sich nicht. Es war einfach abscheulich. Und doch konnte man sie nicht
daran hindern.
Bethel
hatte es versucht. Sie hatte ihre Tochter in den Keller zu den Ratten und
Spinnen gesperrt. Einmal hatte sie Emma sogar ans Bett gebunden, damit sie die
Widerspenstige mit dem Rohrstock verprügeln konnte. Keine dieser Strafen hatte
etwas bewirkt. Emma war in vielerlei Hinsicht stets gehorsam und fügsam
gewesen, wie man es von einem wohlerzogenen Mädchen erwarten konnte. Aber in anderer
Hinsicht war sie durch und durch eine Tremayne. In ihr lag etwas Wildes und
Unbezähmbares, vor dem Bethel, so ungern sie sich das auch eingestand, Angst
hatte.
Sie mußte stehenbleiben und
Atem schöpfen, denn sie hatte plötzlich Herzstechen. Die Korsettstäbe bohrten
sich ihr in die Rippen. Ihre Lunge lechzte nach Luft. Es war alles Emmas
Schuld, daß ihre Mutter sich so beeilen mußte, anstatt ihre Kräfte für die
anstrengenden Tage, Wochen und Monate zu schonen, die noch vor ihr lagen.
Zuerst
kamen die Verlobungsbesuche, dann der Verlobungsball. Dieses Ereignis würde
natürlich noch von der Hochzeit weit in den Schatten gestellt werden. Aber zu
jeder Minute der kommenden Tage würden die fatalen Klippen von
Unschicklichkeiten, Peinlichkeiten und – das Schrecklichste von allem – von
einem gesellschaftlichen Skandal lauern. Es würde ihnen nur mit größter
Vorsicht und Achtsamkeit gelingen, sie alle zu umschiffen.
Und das alles wird auf meinen
Schultern lasten, dachte Bethel, denn nun war sie die einzige Tremayne, die die
Tradition und den Ruf dieser Familie wahren konnte.
Als Bethel
schließlich die verzogene Holztür der Orangerie erreichte, hatte sie sich so in
ihren Zorn hineingesteigert, daß sie, als sie mit voller Wucht die Tür
aufstieß, sich an einem alten rostigen Riegel einen Fingernagel einriß. Vor
Schmerz rang sie nach Luft. Dann stockte ihr der Atem, weil sich ihr die
Fischbeinstäbe der Korsage in den Unterleib bohrten.
Aber beim Anblick dessen, was
sich im Innern des alten Gewächshauses befand, erstarrte sie.
Die
Orangerie war nicht länger ein Platz, wo Orangenbäume und die Orchideen
überwinterten. In der Mitte des Raums stand jetzt ein riesiger Kran mit Winden
und Flaschenzügen. Bethel konnte nur ahnen, daß er dazu diente, die schweren
Steinblöcke und Marmorquader zu bewegen, die in einer Ecke lagerten.
Es duftete
nicht mehr nach exotischen Blüten, sondern roch nach nassem Ton, Steinstaub und
gelötetem Metall. Früher war es im Gewächshaus feucht und warm gewesen. Auch
das hatte sich grundlegend geändert. Jetzt war es im Glashaus so kalt und grau
wie draußen, denn viele der Milchglasscheiben waren entweder gesprungen oder
zerbrochen.
Und dort
im fahlen Licht, das durch die Fensterscheiben drang,
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