Penelope Williamson
Tod meines Vaters erben ... ich habe weiß Gott keine
Ahnung, wieviel das ist. Dann habe ich einen Treuhandfonds, der mir bei meiner
Hochzeit ausgezahlt wird oder an meinem fünfundzwanzigsten Geburtstag. Aber
das sind nur eine Million Dollar.«
»Heilige
Mutter Gottes!« rief Shay und verdrehte die Augen. »>Nur eine Million<,
sagt sie.« Er machte mit der Hand eine große Geste. »Und wie viele Blumen hat
die Tapete in unserer Küche? Was würdet ihr sagen, vielleicht tausend?« Er nahm
die kleine blaue Salzdose und stellte sie mitten auf den Tisch neben die
Blumen. »Und wie viele Salzkörner sind wohl da drin? Wahrscheinlich nur
hunderttausend. Doch unsere liebe Miss Tremayne hat etwas, das man einen
>Treuhandfonds< nennt, und darin befinden sich nur eine Million
Dollars. Sie spricht davon, als sei das etwas völlig Belangloses.«
»Ach, Shay
...«, murmelte Bria und seufzte lange und tief.
Emma faltete sorgfältig die
Serviette zusammen und legte sie neben die Teetasse und die Untertasse.
»Entschuldigen Sie bitte«,
sagte sie in ihrem gepflegtesten Tonfall. »Aber ich muß jetzt leider gehen.«
Sie erhob sich anmutig mit
einem kaum hörbaren Rascheln ihrer Seidenröcke.
Wenn er
ihr vorwarf, die feine Dame zu spielen, dann wollte sie ihm zeigen, daß sie
wirklich eine war. »Vielen Dank für Ihre Gastfreundschaft.« Sie nickte ihm
kühl zu. »Auf Wiedersehen, Mr. McKenna. Auf Wiedersehen Noreen, Merry ...«
Brias bestürzte Miene ließ sie beinahe schwach werden. »Auf Wiedersehen, Mrs.
McKenna«, sagte sie dann, und ihre Stimme klang etwas belegt.
Sie verließ
die Küche, stieg die steilen Stufen hinunter und ging auf dem schmalen Pfad zur
Thames Street, wo die Kutsche neben dem Gehweg auf sie wartete. Sie hatte
gerade die Zügel vom Laternenpfahl gelöst, als sie hörte, wie in ihrem Rücken
eine Tür ins Schloß fiel.
»Miss
Tremayne, ich möchte Ihnen noch etwas sagen.«
Langsam drehte sie sich um und
wartete auf ihn. Er kam durch die blauen Veilchen und gelben Margeriten, die
sie zusammen mit Bria in das Blumenbeet gesetzt hatte.
Shay trat dicht neben sie. Sie
sah eine Schweißperle von seinem Ohr tropfen und an der Halsschlagader
entlanglaufen. Er verunsicherte sie mit seinem eindringlichen Blick.
Ihre Kehle
war wie zugeschnürt, und sie brachte kaum ein Wort hervor. »Möchten Sie mich
noch mehr beschimpfen, Mr. McKenna? Oder möchte Sie mir vielleicht verbieten,
als verwöhnte Frau noch einmal Ihr Haus zu betreten?«
Er
schüttelte langsam den Kopf. »Nein, das will ich nicht. Ich möchte Sie nur
bitten ...« Zum ersten Mal sah sie in seinen Augen deutlich seine
Verletzlichkeit, als sei eine harte Schale aufgeplatzt, und durch den Riß sei
seine Seele sichtbar geworden. »Tun Sie ihr nicht weh«, sagte er.
Sie stieß so heftig die Luft
aus, daß es wie ein leises Seufzen klang. »Das würde ich niemals tun!«
Shay
musterte sie, als wolle er die Wahrheit ihrer Worte ergründen. Seine Augen
wurden wieder hart, und sein Mund unerbittlich schmal.
»Sie
verstehen das nicht«, erwiderte Emma. »Bria ist meine Freundin.«
»Ihre
Freundin? Und was wird geschehen, wenn Ihre anderen >Freunde< von Ihren
Besuchen hier erfahren? Wenn der Mann, dessen Ring Sie am Finger tragen und den
Sie heiraten werden, davon erfährt? Ich kann Ihnen garantieren, den Yankees
wird das nicht gefallen. Und früher oder später wird man Sie dafür tadeln. Und
sagen Sie mir nicht, das sei Ihnen gleichgültig.«
»Das ist
mir gleichgültig«, erwiderte Emma. Doch sie hörte die Lüge in ihren Worten. Sie wollte, daß es ihr
gleichgültig wäre, aber sie hatte sich noch nie dem Unmut und der Mißbilligung
der ganzen Gesellschaft ausgesetzt. Und sie wußte sehr wohl, wie grausam diese
Gesellschaft sein konnte.
»Sie
könnten ebensogut einen Fisch aus dem Meer ziehen und von ihm erwarten, an Land
zu leben«, sagte er und schien damit ihre eigenen Gedanken auszusprechen. »Das
wäre einfacher, als unsere beiden Welten miteinander zu verbinden.«
»Ich
möchte doch nur ...« Sie konnte nicht weitersprechen. Sie wollte nichts
miteinander verbinden. Sie wollte nur Brias Freundin sein.
Er holte
tief Luft und atmete dann langsam aus. Sein Mund wirkte etwas weicher, obwohl
seine Augen unerbittlich blieben. »Sie haben bis jetzt ein großartiges Leben
geführt, Emma Tremayne. Sie mußten sich nie vorher Gedanken darum machen, was
am Ende aus einer Sache wird, welchen Preis sie hat.«
Sie wollte
sich zu einem Lächeln zwingen,
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