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Penelope Williamson

Penelope Williamson

Titel: Penelope Williamson Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wagnis des Herzens
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euch
ein paar Pfefferminzlutscher.«
    Noreen sah ihren Vater
ängstlich an, aber er schwieg. Sie ging zum Tisch zurück und ergriff Merrys
Hand.
    Shay wartete, bis sich die Tür
hinter den Kindern geschlossen hatte. »Wirst du jetzt mit mir schimpfen?«
fragte er und bemühte sich vergeblich um ein Lächeln.
    Sie sah ihm
eine Ewigkeit in die Augen, dann schien sie in sich zusammenzufallen. Sie
schlang die Arme um den dicken Leib und umarmte sich und das Kind. »Sie wird
nicht mehr kommen«, schluchzte Bria, und es klang wie ein Wimmern.
    »Ach, Bria, mein Schatz ...« Er
trat zu ihr und nahm sie in die Arme. Sie wollte sich an ihn lehnen, ihr Gesicht
an seine Brust drücken, aber das Ungeborene war im Weg.
    »Ich hatte
noch nie eine Freundin wie sie«, hörte er sie mit tränenerstickter Stimme
sagen. »Du verstehst das nicht ... man findet nur selten eine wahre Freundin
...«
    Er verstand
sie sehr wohl, und das bereitete ihm so großen Schmerz, daß es war, als wolle
er ein Messer schlucken, das ihm in der Kehle steckenblieb. Er wollte glauben,
daß er alles war, was sie brauchte, alles was sie je brauchen würde. Vielleicht
war das einmal auch wirklich so gewesen. Aber ein solches Bedürfnis mußte auf
Gegenseitigkeit beruhen und erfüllt werden. Doch in einer dunklen Ecke seines
Herzens wußte er sehr wohl, daß er ihre Erwartungen in dieser Hinsicht nicht
erfüllt hatte. So sehr er sie auch liebte, er hatte sie nicht genug geliebt. Er
fuhr ihr mit den Händen immer wieder über den gebeugten Rücken. Sie war
inzwischen sehr zerbrechlich und bestand nur noch aus Haut und Knochen. Er
konnte es kaum ertragen. Gott, o Gott, sie starb. Er würde sie verlieren, auf
ewig verlieren ... er hatte sie bereits verloren.
    »Deine Emma Tremayne ist nicht
feige«, sagte er trotz des Messers in seiner Kehle. »Wenn sie will, wird sie
zurückkommen. Dann wirst du wirklich wissen, ob sie die wahre Freundin ist, die
du dir erhoffst.« Bria lehnte sich in seinen Armen zurück und sah ihn an. Auf
ihren Wangen lag die rosige Röte des Todes. Ihre Augen waren schwarze Teiche
voll Schmerz und Verlust.
    Ich verliere sie, ich verliere
sie, hallte es in ihm wie der Donner eines nicht enden wollenden Gewitters.
    »Du glaubst, aus dieser
Freundschaft kann nichts Gutes werden, nicht wahr?« flüsterte Bria.
    Er schob
ihr die feuchten Haare aus der Stirn. Sie hatte schon immer die schönsten Haare
gehabt, die er bei einer Frau gesehen hatte. Es waren irische Haare. Sie waren
feurig und temperamentvoll und so rot wie die aufgehende Sonne über den
strohgedeckten Dächern von Gortadoo.
    Er drückte
ihr einen Kuß auf die Haare und flüsterte, wobei er sie mit den Lippen zärtlich
liebkoste: »Nein, nichts Gutes. Aber vielleicht liegt es daran, daß ich Wunder
immer nur von Gott erwartet habe, während du, mein Schatz, Wunder nur durch uns
kommen siehst.«

Sechzehntes Kapitel
    Ende Mai wurde der Himmel noch blauer, und das Sumpfgras wuchs
saftig grün. Emma fuhr wieder zu dem Haus in der Thames Street. Sie wußte
nicht, ob der Stolz sie dorthin trieb oder mangelnder Stolz sie von weiteren
Besuchen abhielt. Sie fuhr in die Thames Street, weil ihr scheinbar keine
andere Wahl blieb, oder weil ihr jede Entscheidung offenstand.
    Die
Vorstellung, wählen zu können, war für sie ein faszinierendes Thema geworden:
Wie lebten die Menschen ihr Leben, welche Entscheidungen trafen sie und aus
welchen Gründen. Es gab Dinge, die man einfach nicht tat, und andere tat man,
ohne sie jemals in Frage zu stellen. Je mehr sie sich mit diesem Thema
beschäftigte, desto klarer erkannte sie, daß sich das Herz nicht von anderen
beherrschen oder steuern ließ. Das Herz gehorchte nur sich selbst.
    Eines
Abends fragte sie Geoffrey auf einer Soiree der Pattersons: »Warum beschäftigst
du in deinen Spinnereien hauptsächlich Kinder?«
    Es schien
ihn merkwürdig zu berühren, daß sie ein so unangenehmes Thema bei Champagner
und Cocktails zur Sprache brachte. Aber er beantwortete die Frage, ohne zu
zögern. »Weil sie mit ihren kleinen Fingern die Fäden der Spulen sehr viel
müheloser entwirren können. Ich habe einmal einen ganzen Tag lang an einem Ringspinner
gestanden. Die Arbeit ist nicht so leicht, wie man vielleicht glaubt.«
    Sie hatte
nicht gewußt, daß er, wenn auch nur für einen Tag, die Arbeit seiner am
schlechtesten bezahlten Arbeiter übernommen hatte. Emma fand, das verriet seine
Fürsorge für die Arbeiter. Das hätte sie beinahe dazu bewogen, auf die

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