Penelope Williamson
lodernden Zorn in seinen
Augen.
»Was
nicht?« fragte sie. »Was soll ich nicht tun?«
»Sie
sollen sich nicht so hochmütig in der Küche meiner Bria umsehen. Sie sind
verwöhnt, und Sie haben Langeweile. Sie finden es amüsant, einen Nachmittag bei
den einfachen Leuten zu verbringen. Das gibt Ihnen Gelegenheit, Ihre Überlegenheit
zur Schau zu stellen und Ihre guten Manieren, denn Sie sind ja eine so vornehme
junge Dame, aber ...«
»Shay!« Bria schnitt ihm das
Wort ab, aber er durchbohrte Emma immer noch mit seinen Blick.
Sie irren
sich, hätte sie ihm am liebsten geantwortet. Aber die Worte blieben ihr in der
Kehle stecken, denn obwohl inzwischen alles nicht mehr der Wahrheit entsprach,
was er ihr vorwarf, war am Anfang etwas Wahres daran gewesen. Er sah sie
herausfordernd an, als wisse er das.
»Ach, Shay!«
rief Bria noch einmal und hustete dabei heftig. »Wie kannst du so etwas sagen?
Miss Tremayne ist Gast in unserem Haus!«
»Ja, in
unserem Haus.« Er legte die Hände flach auf den Tisch, als wolle er aufstehen.
Aber er blieb sitzen, ohne den Blick von Emma zu wenden. »Das kannst du sagen,
weil wir Miete dafür bezahlen. Du könntest aber auch sagen, sie ist Gast in Mr.
Geoffrey Alcotts Haus, da es ihm gehört. Sie wird bald die Frau von Mr. Alcott
sein. Deshalb sind wir eher bei ihr zu Gast. Habe ich recht, Miss Tremayne?«
Emma hatte
nicht gewußt, daß das Haus Geoffrey gehörte, obwohl sie es sich hätte denken
können. Den »Alcott Textiles« gehörten fast alle Grundstücke in der Umgebung
der Spinnerei. So wie den Tremaynes die meisten Hütten und Miethäuser bei der
Gummifabrik in Goree gehörten.
Brias
Stimme klang rauh vom Husten und vor Zorn, als sie sagte: »Und du, du benimmst
dich, als sollten wir Miss Tremayne verachten, nur weil sie eine Tremayne ist.
Bei Gott, wir sind nicht mehr in Irland.«
»Die
Grundbesitzer sind auf der ganzen Welt gleich. Habe ich nicht recht, Miss Tremayne? Nur hier in Amerika haben sie noch
einen besonderen Dreh gefunden, um ihre Pächter und Mieter auszubluten. Die
Miete einer Familie richtet sich nach der Zahl der Kinder, die sie in die
Spinnereien schicken, wo sie wie Sklaven schuften müssen, damit der Besitzer
Gewinne macht. Je mehr Kinder arbeiten, desto niedriger ist die Miete. So ist
es doch, Miss Tremayne?«
Sie schüttelte den Kopf und
wandte den Blick ab. Auch das hatte sie nicht gewußt.
»Es ist grausam, finden Sie
nicht auch, Miss Tremayne? Man zwingt einen Mann, seine Töchter entweder in die
Spinnerei zu schicken, oder zuzusehen, wie sie hungern.«
Er
verurteilte sie. Jedesmal, wenn sie ihm begegnete, hatte sie das Gefühl, daß er
sie an den Regeln einer Welt maß, die sie nicht kannte.
Bria preßte das
zusammengeknüllte Taschentuch an ihren Mund und unterdrückte ein Husten. Sie
umfaßte seinen Arm und grub ihm die Finger in die Haut. »Willst du durch dein
schlechtes Vorbild deinen Töchtern die Manieren von Landstreichern beibringen?
Ganz gleich, wem das Haus gehört, Miss Tremayne ist Gast an unserem Tisch.
Deshalb wirst du dich jetzt bei ihr entschuldigen.«
Er schwieg, und die Spannung
wuchs, doch dann sagte er: »Wenn die Wahrheit Sie beleidigt, Miss Tremayne,
dann bitte ich Sie vielmals um Entschuldigung.«
Emma hob den Kopf und sah ihm
direkt in die Augen. »Sie besitzen die Fähigkeit, Mr. McKenna, Ihre
Entschuldigung wie eine Anklage klingen zu lassen.«
Er kniff die Augen leicht
zusammen und öffnete die Lippen, aber nicht, um zu lächeln. Sie dachte, er
werde etwas erwidern, aber Merry begann, laut und aufgeregt zu summen.
Noreen
hatte ihren Vater die ganze Zeit aufmerksam, aber mit gerunzelter Stirn
beobachtet. Jetzt hörte sie ihrer Schwester zu und schien nahe daran,
gleichzeitig zu weinen oder zu lachen. »Merry sagt, es gibt keinen Grund für
die ganze Aufregung.« Sie deutete mit geröteten Wangen auf Emma. »Denn sie wird
uns eines Tages ein ganz neues Haus kaufen. Merry sagt, sie hat unglaublich viel
Geld.« Nach einem kurzen Blick auf ihren Vater sah sie Emma vorsichtig an.
»Wieviel Geld haben Sie eigentlich?«
Emma wurde
verlegen. Niemand, der ihrer Gesellschaftsschicht angehörte, hätte es gewagt,
eine solche Frage zu stellen. Doch Bria, Shay und die Mädchen sahen sie
neugierig an und schienen eine Antwort zu erwarten.
Sie hob
das Kinn. Man hielt sie für stolz, gut, dann wollte sie ihnen zeigen, daß sie
Grund zum Stolz hatte. »Da ist natürlich das Familienvermögen, das werden
Maddie und ich beim
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