Pennäler contra Pauker
Gegenstand einer bewegten Debatte in der Lehrerkonferenz, worauf die in der Schulordnung angeführten Strafmittel gegen dieses in Anwendung gebracht werden. Es wäre jetzt nicht unangebracht, einmal flüchtig zu schildern, wie denn eigentlich so eine legendäre Lehrerkonferenz aussieht, der auch abgebrühte und ergraute Sitzenbleiber, die sonst Schule und Lehrerschaft verachten, eine gewisse Bedeutung beimessen.
Die Lehrerkonferenz
Der Verlauf einer solchen Sitzung richtet sich nach dem Temperament des Lehrkörpers. Haben ehrwürdige Rauschbärte die Mehrheit darin, dann ist es für gewöhnlich eine Schlummersitzung, und die Verhandlungen verlassen nie die Grenzen amtlicher Würde, wie es sich für ein Kollegium von ernsten und erfahrenen Jugenderziehern ziemt. Haben jedoch die kampflustigen und unruhigen Elemente unter den Paukern die Oberhand, dann siedet es im Lehrerzimmer wie in einem Kochtopf, und es hängt von der Autorität des Herrn Direktors ab, die leidenschaftlichen Pädagogen, die im Interesse der Schule, der Erziehung, des Fortschritts und der Wissenschaft, meistens aber aus persönlichem Interesse aufeinander losfahren, zu zähmen. Ein Pädagoge gerät in Zorn, sowie er glaubt, sein Ansehen wäre dem Spott preisgegeben, seine Bedeutung nicht richtig eingeschätzt oder gar seine Würde besudelt worden. Hören wir einige Beispiele aus der bunten Schulerfahrung des Verfassers.
Es geschah einmal, daß ein Studienrat, der damit beauftragt war, sämtliche Vergehen der Schüler im verflossenen Halbjahr zusammenzustellen, vergaß, eine ernste Beschwerde des Mathematikprofessors anzuführen. Ein frecher Schüler hatte in der Mathematikstunde englische Vokabeln geschrieben, wodurch das Ansehen der Königin der Wissenschaften eine ernste Einbuße erlitten hatte. Als dann der Referent in der Lehrerkonferenz das Sündenregister verlas und den Fall des Mathesen nicht erwähnte, erbleichte der übergangene Gelehrte, erhob sich mit den Worten «Ich kann gehen, ich bin hier überflüssig» und verließ schweren Schrittes und gebeugten Hauptes das Sitzungszimmer. Daraufhin umringte ihn der gesamte Lehrkörper samt dem Herrn Direktor und begann auf ihn einzureden. «Die Welt ist groß», erklärte der Gelehrte hartnäckig, «ich finde auch anderswo mein Brot.» Es mußte alle Beredsamkeit aufgewandt werden, um den verschmähten Pauker zu überzeugen, daß sein Fall bloß aus Versehen übergangen wurde, daß er der Achtung aller versichert sein könne und die Anstalt ohne ihn wahrscheinlich jämmerlich zugrunde ginge.
Es gibt auch Adler unter den Schulmeistern, die weit ernstere Fälle, ohne viel Aufhebens davon zu machen, auf männliche Art und geradeaus erledigen. Hier sei ein alter klassischer Philologe - geben wir ihm den Namen Schneeweiß — ehrend erwähnt. Er verlangte von einem Untersekundaner, er möge die Endungen der dritten Deklination an die Tafel schreiben. Als der auf gerufene Jüngling damit fertig war, kritzelte er mit der Kreide so nebenhin an die schwarze Tafel in Morseschrift: «Schneeweiß ist ein Ochse.» Der Herr Professor verfolgte sein Tun mit Interesse, und als die Anschrift fertig war, stand er auf und versetzte dem Jüngling eine schallende Maulschelle, worauf er mit klassischer Ruhe hinzufügte: «Sie brauchen sich nicht zu wundern - ich habe nämlich während des Weltkrieges in einem Telegrafenamt gedient.» Womit der Fall ohne weitere Folgen erledigt war.
Die persönlichen Scharmützel bilden den Hauptreiz der Versammlung, die ohne sie eine traurige Sitzung gähnender Damen und Herren wäre. Wenn die Kämpfe über die Sitten oder das Benehmen der Schüler ausgetragen sind, legen die Lehrer den Klassen nach die Kataloge vor, und nun beginnt das Feilschen um die Zensuren. Jeder Klassenleiter bemüht sich, für seine Lieblinge so viel wie möglich Auszeichnungen und so wenig wie möglich Ungenügend zu erzielen. Die Berechnung geschieht nach dem Hundertsatz, und der Sieger im Wettbewerb um die beste Klasse bläht sich derart auf, als wäre der gute Fortgang seiner Schützlinge das Werk seiner erzieherischen und rednerischen Fähigkeiten.
Häufig bricht ein regelrechter Kampf aus, dessen Opfer meist ein einseitig belasteter junger Mann ist, der, nehmen wir an, in Mathematik hervorragt, in Latein aber auf der Stufe des Urmenschen aus der Zeit des Neandertalers steht. Der Fall nimmt an Tragik zu, wenn sich zur Mathematik andere reale Fächer, in denen der Schüler Ausgezeichnetes leistet,
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