Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Pennäler contra Pauker

Pennäler contra Pauker

Titel: Pennäler contra Pauker Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaroslav Zak
Vom Netzwerk:
es sich um die Übersetzung eines lateinischen Autors, handelt, zu dem es eine einzige altehrwürdige, in verstaubtem Deutsch gedruckte Schwarte gibt, die schon der Pauker in seiner Schülerzeit mit Erfolg benutzt hat und die ihm von seinem Vater vererbt worden war. Beginnt also der auf gerufene Jüngling etwa wie folgt zu übersetzen: «Jugurtha war ein schmucker Jüngling von anmutigem Aussehen und ausgezeichnet durch Kraft, weit mehr jedoch durch des Geistes Mächtigkeit erblühend und über seinesgleichen durch Rankheit und anmutige Talente emporragend ...», dann unterbricht ihn der klassische Philologe angewidert: «Wenn Sie, Kaffer, schon diese idiotische Übersetzung benutzen, dann übersetzen Sie es zumindest ins Deutsche, damit es ein wenig menschlich klingt.» Solche grundsätzlich taktischen Fehler begeht freilich nur ein teilweise borniertes Grünhorn, das dann mit Recht einen elegant gezirkelten Pinsch oder Fleck davonträgt.
    Besteht der aufgerufene Schüler beim Übersetzen so leidlich, dann hält der Lehrer noch einen weiteren Anschlag im Vorrat. «Nun erklären Sie uns den übersetzten Text», sagt er mit reizender Selbstverständlichkeit. Ein normaler Mensch wäre von dieser ungewöhnlichen Forderung sicher überrascht. Im Text heißt es zum Beispiel, daß nach der Schlacht und nach der fast gänzlichen Vertilgung des nervischen Volkes die Greise Abgesandte zu Cäsar schickten und sich ergaben. Was zum Teufel, würdet ihr sagen, soll man da noch erklären? Die Nervier waren vernichtend geschlagen worden, das ist doch sonnenklar. Einem Lehrer der höheren Schule ist das alles andere als klar, und so verlangt er von dem Schüler, es ihm zu erklären. Das ist sicher eine mutwillige Belästigung und Quälerei der Schüler, der Einhalt geboten werden sollte.
    Gedichte sind vor allem zum Auswendiglernen da. Ehe das betreffende Gedicht auswendig gelernt wird, muß es in der Schule gelesen und erklärt werden. Bei der Erklärung zeigt sich meist, daß der Dichter etwas ganz anderes im Herzen als auf der Zunge hatte und daß sich die Männer der Dichtkunst überhaupt in unklaren und geheimnisvollen Sätzen ergehen. Der Herr Professor nötigt die Schüler, in schlichten und ungesuchten Worten zu sagen, was der Dichter eigentlich ausdrücken wollte, obgleich es doch ein öffentliches Geheimnis ist, daß es der Dichter für gewöhnlich selbst nicht weiß. Der Dichter dichtet einfach drauflos, auch wenn es keinen rechten Sinn ergibt, das unmündige Kind aber soll sich darin zurechtfinden. Nehmt zum Beispiel nachstehendes Gedicht:

Der Frühling flog von weit ins Land,
voll Sehnsucht er die Herzen fand.
Und alles drängt der Sonne zu
Aus Winters langer, eis'ger Ruh.

    «Woher kam der Frühling geflogen, Hubermann?»
    «Von weit.»
    «Antworten Sie mit einem ganzen Satz.»
    «Der Frühling kam von weit geflogen.»
    «Was wollte der Dichter damit sagen?»
    «Der Dichter wollte damit sagen, daß der Frühling fort war und nun auf einmal hergeflogen kam.»
    «Wer kann mir das besser erklären? Nun, Kleinmichel?»
    «Der Dichter will uns darauf aufmerksam machen, daß der Frühling fliegt.»
    «Wie meinen Sie das?»
    Kleinmichel vermag seine bemerkenswerte Idee nicht näher auszuführen.
    Es meldet sich Schöller.
    «Der Dichter zeigt uns, wie die Zeit fliegt.»
    «Nun, Freunde, überlegt einmal: Fliegt der Frühling, oder fliegt er nicht?»
    «Der Frühling kann nicht fliegen, weil er keine Flügel hat.»
    «Wie können wir uns das also erklären, Helfert?»
    «Wir erklären es uns mit der dichterischen Phantasie.»
    «Was bedeutet der zweite Vers, Seifert?»
    «Der zweite Vers bedeutet, daß alles voll Sehnsucht ist.»
    «Wie verstehen Sie das?»
    «Bitte, ich versteh das überhaupt nicht.»
    «Setzen Sie sich, Schafskopf. Was ist damit gemeint, Bau-mich? Was haben Sie dort unter der Bank?»
    «Bitte, nichts. Der Dichter sagt in diesem Vers, daß im Frühling alle Herzen voll Sehnsucht sind.»
    «Was für eine Sehnsucht ist das?»
    «Das ist verschieden. Die Menschen sehnen sich vor allem nach Geld.»
    «Daran hat der Dichter wohl nicht gedacht. Welche Sehnsucht meint der Dichter hier, Brecher?»
    «Er meint so eine Sehnsucht, wenn der eine fort ist und der andere sich nach ihm sehnt. So wie im Film ...»
    «Gut, gut, das genügt. Nennen Sie mir einen weiteren Gedanken in dem Gedicht, Schubert.»
    «Ein weiterer Gedanke ist, daß, wenn der Frühling kommt, ein großes Gedränge entsteht.»
    «Sie drücken sich

Weitere Kostenlose Bücher