Pension der Sehnsucht
Strategie werde ich den Feind schlagen, ehe er überhaupt dazu kommt, den Krieg zu erklären.
Gut gelaunt wandte sie sich an den Barkeeper, der mit einem Tuch die Theke sauber wischte. »Geh jetzt nach Hause, Don, den Rest mache ich selbst.«
»Danke, Nelly.« Der junge Mann wartete auf keine zweite Aufforderung und verschwand gleich durch die Tür.
Nelly wanderte durch den Raum, um die Körbchen mit den Erdnüssen und die leeren Gläser einzusammeln. Zur Unterhaltung schaltete sie sich das kleine Fernsehgerät ein.
Im Hotel kehrte Ruhe ein. Jetzt endlich fand Nelly die Stille und Einsamkeit, nach der sie sich sehnte.
Aus dem Fernsehgerät erklang leise, Unheil verkündende Musik. Die Töne wehten und schwebten durch den matt beleuchteten Raum. Nelly blickte zum Bildschirm hinüber, und gleich darauf fesselte sie ein Gruselfilm. Sie zog sich die Schuhe aus und kuschelte sich in einen Sessel.
Der Film war alt und die Geschichte einfältig, doch die unheimlichen Bilder zogen sie in ihren Bann. Fasziniert beobachtete sie, wie dunkle Wolkenfetzen vor einem Vollmond dahinjagten. Geistesabwesend griff sie nach einem Körbchen mit Erdnüssen, nahm ihn auf den Schoß und knabberte davon. Das Fernsehbild zeigte inzwischen dichte Nebelschwaden in einem tiefen Wald, und Nelly erschauerte, als sie schwere, tappende Schritte und keuchende Atemzüge hörte. Der Nebel lichtete sich und enthüllte die Fratze eines zähnefletschenden Ungeheuers. Nelly hielt sich die Augen zu und wartete auf den Schrei, den die Heldin des Films beim Anblick des Monsters unweigerlich ausstoßen würde.
»Wenn Sie die Hände vom Gesicht nehmen, sehen Sie mehr.«
Nelly schnellte mit einem Aufschrei hoch, sodass die Erdnüsse nach allen Seiten flogen. »Machen Sie das nicht noch einmal!« schimpfte sie und blitzte Percy wütend an. »Sie haben mich zu Tode erschreckt.«
»Das tut mir leid.« Mit dem Ellenbogen stützte er sich auf die Bartheke und zeigte auf das Fernsehgerät. »Warum setzen Sie sich vor den Kasten, wenn Sie doch nicht hinschauen?«
»Ich sehe für mein Leben gern Gruselfilme, es ist eine richtige Sucht. Aber bei den spannenden Szenen muss ich einfach die Augen schließen. Schauen Sie sich das mal an, bald wird es ganz dramatisch, den Film kenne ich nämlich schon.« Mit einer Hand griff sie nach seinem Arm, mit der anderen zeigte sie auf den Bildschirm. »Die Heldin öffnet jetzt gleich die Tür und geht nach draußen. Ich frage Sie, welcher Mensch, der nicht komplett schwachsinnig ist, verlässt im Stockfinstern sein Haus, weil er ein unheimliches Kratzen an der Fensterscheibe hört? Normalerweise würde man sich in einer solchen Situation doch ganz anders verhalten. Wer schlau ist, versteckt sich unter seinem Bett und wartet darauf, dass das Monster verschwindet. Ach du liebe Zeit.« Unwillkürlich zog sie Percy näher an sich heran, und als das gebleckte Gebiss des Ungeheuers in Großaufnahme erschien, drückte sie ihr Gesicht gegen seine Brust. »Das ist ja schrecklich, ich kann gar nicht hinsehen. Sagen Sie mir Bescheid, wenn es vorbei ist.«
Plötzlich wurde Nelly bewusst, dass sie sich an Percy kuschelte. Sie hörte das Klopfen seines Herzens. Er streichelte ihr Haar, so wie man ein Kind tröstet. Sie verkrampfte sich und wollte sich aus seiner Umarmung lösen, doch er hielt sie fest.
»Nein, warten Sie einen Moment, das Monster schleicht immer noch um die Hütte. Da. Eine Bildstörung hat die Heldin gerettet.« Er klopfte ihr auf die Schulter und ließ sie los.
Nelly stand auf und versuchte die verstreuten Nüsse und ihr seelisches Gleichgewicht wiederzufinden. »Heute Nachmittag war ich leider sehr beschäftigt, Mr. Reynolds. Ich muss mich bei Ihnen entschuldigen, weil wir unseren Rundgang durch das Hotel nicht beenden konnten.«
Er sah ihr zu, wie sie auf Händen und Knien über den Boden rutschte, wobei ihr das Haar wie ein Vorhang über das Gesicht fiel.
»Ja, leider. Aber ich habe mich auf eigene Faust ein bisschen umgesehen. Ich traf Eddie, der ausnahmsweise einmal nicht wie ein aufgescheuchtes Huhn durch die Gegend flatterte. Ich finde, er ist ein sehr sympathischer junger Mann.«
Sie kroch weiter, um die Erdnüsse aufzulesen, die unter einen Sessel gerollt waren. »In ein paar Jahren wird aus ihm einmal ein guter Hotelmanager. Was ihm jetzt noch fehlt, ist Erfahrung.«
»Ich lernte auch einige Gäste kennen. Sie scheinen hier allgemein beliebt zu sein, Nelly.« Percy kam zu ihr und strich ihr das Haar aus
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