Pep Guardiola: Die Biografie (German Edition)
Europas«, ließ er Pep von dem Platz aus wissen, den er einstweilen für ihn warmhielt.
Zwei Tage später nahm die Bundesliga den Spielbetrieb wieder auf – mit dem Wissen, dass Guardiola Heynckes’ Nachfolger beim FC Bayern sein würde, und mit vollen Stadien, was mit den günstigen Eintrittspreisen, aber auch mit einer Fußballkultur zu tun hat, in der der Zuschauer im Stadion wichtiger ist als der Fan im Lehnstuhl.
Die Wahrnehmung und das Gleichgewicht der Fußballwelt hatten sich verändert.
Guardiola rief Anfang Februar Johan Cruyff an, um ihm seinen Wechsel zum FC Bayern ausführlich zu erklären. »Stolz und hocherfreut« war der holländische Meister über seine Entscheidung, und er lobte Guardiola dafür, dass er die sportliche Herausforderung den vielen in finanzieller Hinsicht schwindelerregenden Angeboten vorgezogen hatte, die auf dem Tisch lagen. Letztlich wollte Pep seine von Cruyff geprägte Auffassung vom Fußball und die daraus hervorgegangene Spielweise in Franz Beckenbauers Haus demonstrieren. Beckenbauer, ein großer Rivale von Cruyff in den 70er-Jahren und außerdem ein guter Freund, war, seit die Bayern im Viertelfinal-Hinspiel der Champions League am 8. April 2009 im Camp Nou mit 0:4 untergegangen waren, ein großer Bewunderer des FC Barcelona. Etwa zu dieser Zeit schrieb Ramón Besa in El País: »Deutsche Trainer haben 15 Tage lang in der Ciutat Esportiva Joan Gamper beobachtet, wie der basisorientierte Fußball in Barcelona funktioniert, es gibt also seit einiger Zeit eine Vorgeschichte des gegenseitigen Interesses.«
Ist die Ankunft beim FC Bayern mit enormen Erwartungen an den neuen Trainer verbunden, nachdem dieser zuvor so viel gewonnen hat? »Ich möchte nicht tauschen. Ich möchte lieber so weitermachen, mit all dem, was ich bisher getan habe, anstatt noch einmal dort anzufangen, wo noch alles zu gewinnen ist, wo ich die Leute noch alle auf meine Seite bringen muss.« Das war Guardiolas Antwort an FIFA .com auf die Frage nach der Aufnahme bei seinem zukünftigen Klub. Er wurde inzwischen in aller Welt bewundert, und jetzt zog er es vor, aus der privilegierten Position heraus anzutreten, die ihm die Jahre in Barcelona verschafft hatten, anstatt wieder auf die Zweifel zu treffen, mit denen er es bei seinem ersten Spitzenjob zu tun bekommen hatte. »Als ich meine Arbeit beim FC Barcelona aufnahm, mochten mich gut 80 Prozent der Leute dort nicht. So etwas gibt es im Leben, man kann das nicht steuern. Aber wir taten, was wir tun mussten, alle zusammen, und jetzt begleiten mich all die Erinnerungen an diese Jahre. Auch heute noch können die Leute sagen, was sie wollen, aber was ich selbst erlebt habe, gehört mir. Es gehört mir, und niemand kann es mir nehmen.«
Aber wie überträgt man Barcelonas Spielweise auf ein anderes Team? Guardiola sagt dazu: »Barcelonas Spielweise ist sehr einfach. Es geht um das Spiel mit dem Ball, alles geschieht mit dem Ball. Jeder Fußballer auf der Welt, ob er nun aus dem kleinsten Dorf oder aus der größten Stadt kommt, hat sein Leben dem Fußball gewidmet, weil er irgendwann einmal gegen einen Ball getreten hat, und es hat ihm gefallen. Barcelonas System ist, auch wenn die Leute sagen, es sei sehr kompliziert, genauso einfach. Wir haben den Ball, und wir wollen mal sehen, ob ihr ihn uns abnehmen könnt. Wir spielen ihn uns so oft wie möglich zu und versuchen, ein Tor zu schießen. So habe ich das von meinen Vorgängern gelernt, und ich versuche das weiterzugeben, wo immer ich auch bin. Ich bin mir nicht sicher, wie sie das jetzt machen, seitdem ich fort bin, aber das, was ich im Fernsehen sehe, ist nicht unähnlich. Ich versuche, das zu vermitteln, was ich empfinde, wo immer ich auch trainiere. Und auch in Zukunft werde ich versuchen, das zu tun, was ich als Spieler tat, was ich damals empfand und fühlte oder vor fünf Jahren, als ich als Trainer anfing. So viel wie möglich angreifen, den Ball erobern und ihn jemand mit derselben Trikotfarbe zuspielen.«
Guardiola geht zu einem Klub, der einen großen Teil des Weges bereits zurückgelegt hat. Die Arbeit Louis van Gaals von 2009 bis 2011 sorgte für eine Änderung der Spielweise des Teams. Eine abgebrühte und pragmatisch agierende Mannschaft stellte sich auf einen Stil um, der holländischer wirkte, überschwänglicher. Die Spieler passen häufiger und erreichen mehr Ballbesitz als jeder andere Klub in der Bundesliga. Louis und Pep kommen abermals zusammen. »Pep orientiert sich an meiner
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