Pep Guardiola: Die Biografie (German Edition)
Spielertyp Ausschau hielt, zu dem Pep sich dann entwickeln sollte – dem vor der Abwehr agierenden Passgeber, von dem jeder Angriff Barcelonas eingefädelt wurde. Er brachte seinen Spielern auch bei, wie sie einen Gegenspieler decken sollten, lehrte sie, sich auf die Schwächen des Gegners zu konzentrieren – und dabei gleichzeitig auf die eigenen Stärken zu achten, also die Auseinandersetzungen zu führen, die man gewinnen konnte. Es war eine Offenbarung für Pep, der nicht über den Körperbau verfügte, mit dem er es mit einem großen, kräftigen Gegenspieler im zentralen Mittelfeld beim Kopfball aufnehmen konnte. Unter Cruyffs Anleitung lernte er, Kopfballduelle mit seinen Rivalen zu vermeiden und stattdessen abzuwarten. Cruyffs Theorie war: »Warum kämpfen? Halte Abstand, überleg dir, wo er den Ball hinköpfen wird, und warte auf den Sprungball. Du wirst den Ball haben, während dein Gegner noch herumhüpft.«
Aber es war nicht so leicht für Pep, jedenfalls nicht zu Beginn. Nach seinem Debüt gegen Banyoles vergingen gut anderthalb Jahre, bis er wieder die Chance bekam, für die erste Mannschaft zu spielen, obwohl seine Leistungen in der B-Elf keineswegs völlig unbemerkt blieben. Im Sommer 1990 brauchte Barcelona dann einen zentralen Mittelfeldspieler, weil Luis Milla, ein Stammspieler auf dieser Position, zu Real Madrid wechselte und Ronald Koeman verletzt war. Cruyff und sein Assistent Charly Rexach schlugen vor, dass sich der Klub um Jan Mølby vom FC Liverpool bemühen sollte. Der Präsident fragte nach Alternativen, und Rexach brachte Guardiola ins Gespräch. Cruyff erinnerte sich kaum noch an Peps enttäuschendes Debüt und beschloss, sich ihn anzusehen.
Als Cruyff dann überraschend bei einem Spiel der zweiten Mannschaft auftauchte, saß Pep unglücklicherweise die ganze Zeit auf der Bank. »Du sagst mir, er sei gut, aber er hat überhaupt nicht gespielt!«, schnauzte er Rexach an. »Ich fragte, wer der Beste im Nachwuchsteam sei. Alle sagten mir, das sei Guardiola, aber er hat sich noch nicht einmal aufgewärmt. Warum nicht, wenn er doch der Beste ist?«
Cruyff war wütend. Man sagte ihm, Pep sei physisch nicht so stark, und gelegentlich würden ihm andere, größere oder dynamischere, schnellere Spieler auf seiner Position vorgezogen. Cruyffs Antwort darauf war: »Ein guter Spieler braucht keine starke Physis.« Diese Auseinandersetzung führte zu der Art von Entscheidung, die die jüngere Klubgeschichte mitgeprägt hat.
Am ersten Tag, an dem Pep wieder unter der Anleitung des Holländers trainieren sollte, war er frühzeitig da und hoch motiviert. Als er die Umkleidekabine betrat, sah er dort eine Reihe von Spielern neben dem Cheftrainer und Angel Mur sitzen, dem Physiotherapeuten des Teams, der mit seiner ganzen Persönlichkeit auch die Grundsätze, Geschichte und Ideen des FC Barcelona vertrat. Pep hielt den Kopf gesenkt, als er den Raum betrat. Er blieb stehen und wartete auf Anweisungen. »Hier ist dein Spind. Zieh dich um«, sagte Cruyff. Es fiel kein weiteres Wort.
Der 19 Jahre alte Pep gab am 16. Dezember 1990 im Camp Nou sein Erstliga-Pflichtspieldebüt gegen Cádiz – in einem Spiel, für das sein Mentor Guillermo Amor gesperrt war. Wenige Minuten vor dem Anpfiff flatterten Pep die Nerven: Er begann stark zu schwitzen, sein Herz klopfte heftig. »Meine Handflächen wurden feucht, und ich war fürchterlich angespannt.« Bei anderen Gelegenheiten hatte ihn sein Körper auch schon mal ganz im Stich gelassen, es war bekannt, dass er sich einmal vor einem wichtigen Spiel übergeben hatte, doch zum Glück blieb ihm das diesmal erspart. »Er lebte das wirklich, sogar zu sehr«, erinnert sich Rexach. Im Alter von 19 Jahren stieß Pep Guardiola zu einer Mannschaft mit Zubizarreta, Fernando Quesada (»Nando«), Alexanko, Eusebio, Serna, Bakero, Jon Andoni Goikoetxea (»Goiko«), Michael Laudrup, Salinas und Txiki Beguiristain – Namen, die schon bald für einen der ruhmreichsten Abschnitte der Klubgeschichte stehen sollten. Die Spieler, deren Namen für immer in Erinnerung bleiben sollten, besiegten Cádiz an jenem Tag mit 2:0.
Jenes Pflichtspieldebüt stand für eine Art Wendepunkt: In der Klubgeschichte Barcelonas gab es jetzt ein Davor und ein Danach. Der erste Trainer, der bei Bar Ç a Schritte in Richtung einer Professionalisierung des Fußballs, wie er an der Basis gespielt wurde, unternahm, war zwar Laureano Ruíz, aber letztlich war es Cruyff, der die große Idee, die Philosophie,
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