Pep Guardiola: Die Biografie (German Edition)
längere, profunde Erklärungen zu dem Thema mündete, wie Puyol sich auf dem Platz postieren sollte: eine Ansprache unter vielen, die er bei seiner ersten Saisonvorbereitung in St. Andrews hielt.
»Wir wissen alle, wie man Fußball spielt, aber nur wenige von uns sind mit der Art von Fußball vertraut, die der Trainer von uns sehen will«, sagte Dani Alves damals. »Anfangs unterbrach er viele Trainingseinheiten, um uns zu korrigieren und zu erklären, was er von uns wollte«, erinnert sich Piqué. »Aber wir sind ihm dafür dankbar, weil wir schon bald koordiniert auftreten werden und seine Ideen auf dem Platz umsetzen können.« Der neue Trainer hatte, unter besonderer Beachtung von Messi (Pep investierte sehr viel Zeit in die Arbeit an dessen defensivem Spiel), eine übergeordnete Botschaft, die er der ganzen Mannschaft vermitteln wollte: »Ich will, dass alle verstehen, dass sie als Team viel besser sein können.«
Guardiola wollte ein demokratisches Element innerhalb der Gruppe haben, mit Spielern, die Initiative zeigten, Vorschläge machten und für neue Ideen offen waren. Dennoch setzte er ohne weitere Umschweife bereits in den ersten Tagen seiner Amtszeit einige strikte Regeln durch: Er bestand darauf, dass in der Gruppe nur Spanisch und Katalanisch gesprochen wurde, er gab bei den Mahlzeiten einen Sitzplan vor, um die Spieler zu mehr Austausch zu ermuntern und zu verhindern, dass sich nach Sprachen oder Nationalitäten getrennte Gruppen oder Cliquen bildeten. Seine Regeln und die Strafen für diejenigen, die sich nicht daran hielten, wurden jedoch nicht als pure, gegen die Spieler gerichtete Kontrollmaßnahmen eingeführt, sondern als Ermutigung zu einem stärkeren Gefühl der Solidarität und Verantwortung. Zwei Jahre später schaffte Pep sein eigenes Sanktions- und Strafsystem wieder ab. Er hatte inzwischen den Eindruck gewonnen, dass so etwas unnötig geworden war, weil die Gruppe ein eindrucksvolles Maß an Selbstdisziplin bewies.
Es gibt zwei Möglichkeiten, anderen Menschen zu sagen, was sie tun sollen: Man erteilt ihnen Befehle oder gibt ihnen ein Beispiel und ermutigt sie, diesem Beispiel zu folgen. Pep gehört eindeutig der letzteren Denkschule an. Wenn ein Trainer im modernen Fußball nicht mit den unterschiedlichen Charakteren und verschiedenen individuellen Bedürfnissen umgehen kann, wird er mit seiner Führungsrolle Schwierigkeiten bekommen. Guardiola verfügt über einen psychologischen Vorteil, Erfahrung und Intuition, und das hilft ihm, jedes Problem aufzuspüren. In Barcelona umgab er sich außerdem mit Leuten, denen er zutrauen konnte, dass sie ihn bei einer Intervention im richtigen Augenblick unterstützen würden.
»Ich kannte den Chef und seine Arbeitsweise nicht«, erinnert sich Éric Abidal. »Der erste Monat war schwierig, weil ich ein Familienvater bin, 30 Jahre alt, und man spricht mit einem jungen Spieler, der seine Profikarriere eben erst begonnen hat, nicht auf die gleiche Weise wie mit einem Veteran. Und er tat genau das! Er sorgte dafür, dass wir beim Essen die Tischnachbarn wechselten, und verlangte, dass ich mit Henry Spanisch sprach, wenn wir mit der Gruppe zusammen waren. Ich ging zu Laporta, dem Klubpräsidenten, und sagte ihm, dass ich mir das nicht bieten lassen und den Verein verlassen würde, aber er sagte mir, ich solle mich beruhigen, das sei Peps Arbeitsweise, und alles werde gut gehen. Heute lache ich immer noch mit dem Chef, wenn wir an diese Sache denken.«
Pep setzte die in St. Andrews eingeführten Methoden und Praktiken fort, als das Team nach Barcelona zurückkehrte, und trieb in der Heimat die Umstellung der Alltagsgewohnheiten von Spielern und Klub noch weiter voran. Die Neugestaltung der Trainingsanlagen war stark von Peps Anweisungen beeinflusst, so sehr, dass sie heute Bar Ç as Philosophie verkörpern. Guardiola sorgte mit seinen Änderungen dafür, dass sich die Spieler wie Angestellte eines Fußballklubs fühlten und nicht wie Hollywood-Stars, mit dem Wissen, dass Erfolg von harter Arbeit herrührt, nicht von bloßem Spaß. Ein Speisesaal wurde so gestaltet, dass er die Spieler zum gemeinsamen Essen motivierte. Das war in Italien üblich, aber bei der ersten Mannschaft des FC Barcelona bis dahin unbekannt.
Frühere Trainingseinheiten, die auf einem Platz unmittelbar neben dem Camp Nou abgehalten wurden, hatten aufgrund dieser Lage ziemlich viel Aufmerksamkeit gefunden, aber das Joan-Gamper-Trainingsgelände, in das die erste Mannschaft im
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