Pep Guardiola: Die Biografie (German Edition)
Niemand wagte es, Pep zu sagen, er sei ein Neuling, und diese Entscheidung solle von der Vereinsführung getroffen werden. Schließlich stand die Qualifikation für die Champions League auf dem Spiel. Pep bat seine Gesprächspartner, ihm zu vertrauen.
Wenig später führte er ein Gespräch mit Messi. »Leo«, sagte er zu ihm, »ich werde dich gehen lassen, weil ich selbst Olympiasieger war, und ich möchte, dass du auch einer wirst. Aber du schuldest mir etwas.«
Das erwies sich als der erste Baustein in einer Beziehung, die im Verlauf der vier Jahre, in denen die beiden beim FC Barcelona zusammenarbeiteten, immer enger wurde. Peps Geste brachte sie in einer Zeit zusammen, die auch zu einem Zerwürfnis hätte führen können – noch bevor die Dinge richtig in Gang kamen. Pep hatte abermals klargemacht: Wenn schon Fehler gemacht werden, dann sind es seine und nicht die der anderen.
Später sollte Pep Messi ein Versprechen geben: »Hör auf mich, Leo, halte fest zu mir. Mit mir wirst du in jedem Spiel drei oder vier Tore schießen.«
Noch vor seinem ersten Pflichtspiel unter Guardiolas Leitung flog Messi zu den Olympischen Spielen nach Peking. Er kehrte als Goldmedaillengewinner nach Barcelona zurück – und ihm war klar, dass das ohne das Eingreifen seines neuen Chefs nicht möglich gewesen wäre.
»Wenn Leo lächelt, fällt alles leichter«, sagte Pep oft.
Nun aber war es Zeit für den Showdown gegen den alten Gegner in einem Spiel, in dem Real Madrid der Meistertitel entrissen werden und der FC Barcelona ihn übernehmen konnte, und das in Pep Guardiolas Debütsaison als Trainer der ersten Mannschaft. Mit einem Sieg im Bernabéu-Stadion hätten die Gäste die Meisterschaft so gut wie sicher, angesichts eines Sieben-Punkte-Vorsprungs bei nur vier noch ausstehenden Spielen; bei einer Niederlage hätten sie nur noch einen Zähler mehr auf dem Konto als die Gastgeber. Es war ein echtes »Sechs-Punkte-Spiel«.
Pep und seine Spieler standen vor der größten Aufgabe und dem mit dem höchsten Druck verbundenen Spiel ihrer bisherigen Zusammenarbeit, gegen Ende einer bis dahin beispielhaften Saison.
Zwischen ihnen und dem Ruhm stand nur noch Real Madrid: Das war nicht nur der ewige Rivale, die Mannschaft war auch in einer herausragenden Verfassung, auch wenn sie einen etwas eintönigen Fußball spielte. Juande Ramos’ Team hatte eine phänomenale zweite Saisonhälfte gespielt, in der man 52 von 54 möglichen Punkten holte. Nach der Hinrundenniederlage im Camp Nou (der Rückstand auf Barcelona war dadurch auf zwölf Punkte angewachsen) hatte es nur noch ein Unentschieden gegeben (gegen Atlético Madrid). »Wir haben nicht in jedem Spiel auf höchstem Niveau agiert, also können wir alles geben, wenn für uns die Zeit gekommen ist, die Tabellenführung zu übernehmen«, sagte der Coach der Madrilenen.
Die katalanische Presse stimmte die Fans auf ein mögliches Unentschieden ein, sie versuchte, vor einem Spiel, bei dem unter Barcelona-Anhängern wieder der angeborene Pessimismus aufkam, der mit dem Schlimmsten rechnete, die Erwartungen zu zügeln. Aber Pep arbeitete nicht nur an den Veränderungen auf fußballerischer Ebene, er veränderte auch das Selbstwertgefühl der Culés, gab ihnen ihren Stolz zurück und brachte Optimismus in eine Fankultur, in der stets damit gerechnet wurde, dass am Schluss alles schiefgehen würde. Am Vorabend des Spiels wollte Pep das Gerede von einem Unentschieden nicht mehr hören, er wollte im Bernabéu-Stadion gewinnen: »Wir werden nicht spekulieren und die Sache auch nicht dem Schicksal überlassen. Wir werden all das, was uns in diesem Jahr ausgezeichnet hat, nicht aufgeben. Ich möchte, dass sich alles um uns gedreht hat, wenn wir aus dem Bernabéu-Stadion zurückkehren«, sagte er seiner Mannschaft.
Wenn Madrids Formkurve dazu geführt hatte, dass die Meisterschaft im eigenen Stadion entschieden wurde, würde Barcelona die Herausforderung annehmen. Die Erzrivalen waren ihnen dicht auf den Fersen und erhöhten den Druck auf den Trainerneuling und sein immer noch in der Entwicklung befindliches Team, aber dies war ein Szenario, das Guardiola eher genoss als scheute: »Ich möchte den Druck. Er ruht auf uns, und ich möchte das so. Und wenn etwas schiefgeht und wir verlieren, dann soll es eben so sein: Es ist ein Endspiel, und Endspiele sollten von Ehrgeiz bestimmt sein.«
Als die Bar Ç a-Spieler den Gang hinuntergingen, in Richtung der kleinen Treppe, die zum Stadion hoch und
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