Pep Guardiola: Die Biografie (German Edition)
entwickelten. Spieler fotografierten sich in der Umkleidekabine, um den größten Augenblick in einem Jahrhundert der Madrid-Bar Ç a-Duelle für die Nachwelt festzuhalten. Das war Barcelonas ganz besonderer Paukenschlag, der in aller Welt vernommen wurde, der Augenblick, in dem Fußballfans, Spieler und Kenner der Materie in aller Welt registrierten, dass an einem bestimmten Ort in Spanien etwas ganz Besonderes vor sich ging.
Bei der Pressekonferenz im Bernabéu-Stadion wirkte Pep emotionaler als je zuvor, er war tief bewegt von dem historischen Ereignis, das eben erst zu Ende gegangen war. »Das ist einer der glücklichsten Tage meines Lebens, und ich weiß, dass wir auch sehr viele andere Menschen glücklich gemacht haben.«
Iniesta erinnert sich gut an diese Feier: »Der Verrückteste war wie immer Piqué, er hörte gar nicht mehr auf zu hüpfen und zu schreien. Eines seiner Lieblingsrituale ist, auf dem Heimflug seinen MP 3-Player an die Lautsprecheranlage des Flugzeugs anzuschließen und die Musik dann voll aufzudrehen – Techno, Ska, Dance oder welche Art von lauter Musik auch immer ihm gerade gefällt.« Es versteht sich von selbst, dass der Rückflug nach Barcelona an jenem Abend zur spontanen, von Piqué inspirierten Disco geriet.
Die Menschenmenge, die die Spieler am frühen Sonntagmorgen am Flughafen von Barcelona erwartete, bejubelte ihre heimkehrenden Helden, als würden diese die Trophäe aus einem bedeutenden Pokalfinale mit nach Hause bringen.
Guardiola musste die Spieler jedoch nahezu umgehend auf den Boden der Wirklichkeit zurückbringen. Er wusste, dass er alle erst einmal beruhigen und auf eine weitere gewaltige, die Saisonbilanz prägende Aufgabe einstimmen musste: auf das Halbfinal-Rückspiel in der Champions League gegen den FC Chelsea, das nur drei Tage später im Stadion an der Stamford Bridge in London ausgetragen wurde.
3 Sechs Titel in einem Kalenderjahr
In den vier Jahren, in denen Pep Guardiola Cheftrainer des FC Barcelona war, gab er keine zur Veröffentlichung bestimmten Interviews, mit einer Ausnahme: das Interview, das für die DVD über die Geschichte Brescias bestimmt war und unter »rätselhaften« Umständen beim italienischen Fernsehsender RAI landete.
Die Gespräche mit Pep für dieses Buch waren das einzige Mittel, mit dem ich ein bis dahin verschlossenes Fenster zu seiner privaten Welt öffnen konnte, mit dem sich enthüllen ließ, was ihn motiviert, was ihn dorthin brachte, wo er heute steht, was ihn intuitiv die richtigen fußballerischen Entscheidungen treffen ließ. Letztlich war es der Versuch zu verstehen, was ihn von allem, was er verehrte – oder einst verehrt hatte –, wegführte.
Bevor ich ihn im privaten Rahmen traf, fühlte ich mich wie ein ungezogenes Kind, das heimlich über eine hohe Mauer lugte, um Eindrücke aus einem Leben, einem Denken zu erhaschen, was, darin war ich mir sicher, keineswegs genau so beschaffen war wie das öffentliche Erscheinungsbild, das so häufig erörtert und zu Tode analysiert wurde. Natürlich gibt es, wie wir alle wissen, viele Guardiolas: den öffentlichen Pep, den leidenschaftlichen Pep, den fragilen Pep, Pep, den Anfänger, den Visionär, das Vorbild – und so weiter. Um etwas zu übermitteln, was dem wirklichen Pep Guardiola auch nur näherungsweise entsprach, musste man versuchen, diese Schichten abzulösen, das öffentliche Profil beiseitezulassen und den Mann zu verstehen, der sich hinter den gut geschnittenen Anzügen und dem coolen Äußeren verbarg.
Die Treffen mit Pep bestanden im Regelfall aus geplanten 20-minütigen Gesprächen am Ende einer Trainingseinheit. Der Pressesprecher kehrte meist 18 Minuten nach meinem Eintreffen zurück, klopfte an die Tür und fragte: »Möchten Sie einen Kaffee?« Das war das Codewort für: »Die Zeit ist um!« Wenn Pep ihn mit einem »Mach dir keine Mühe, uns geht’s gut« wegschickte, war das ein kleiner Erfolg.
Seine privaten Äußerungen durchdringen dieses Buch. Auf jeden Fall hat Pep seit dem Tag, an dem er die erste Mannschaft des FC Barcelona übernahm, in aller Öffentlichkeit vor Journalisten genug gesagt – bei den insgesamt 546 Pressekonferenzen –, um mit seinen Einsichten ein ganzes Lexikon füllen zu können. Nach seinen eigenen Angaben verbrachte er mit Medienvertretern insgesamt 272 Stunden, mehr als elf Tage. Das entspricht etwa 800 Fragen pro Monat. Können Sie sich das vorstellen? Jedes einzelne Wort wird abgewogen, jede Geste wird kommentiert, jede
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