Per Anhalter (German Edition)
er machte das ja auch erst seit knapp drei Wochen.
Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut , sagte er sich, und saß mit dieser lässigen Einstellung bereits seit 10 Uhr morgens auch heute wieder im Waschsalon.
Auf der Pirsch. Und was war? Männer! Heute gab es wirklich fast nur Männer hier. Er war sich sicher, die Schnallen die her kamen würden wesentlich offener sein, wenn mal kein Mann außer ihm da wäre. Dann würden sie sich trauen und sich auf ihn einlassen, ganz bestimmt. Er musste vielleicht ein klein wenig nachhelfen, aber es würde sich auszahlen. Irgendwann.
Rom wurde auch nicht an einem Tag erbaut.
Inzwischen war es kurz nach 14 Uhr, und bis auf den Möchtegern-Schlaukopf mit seinem Taschenbuch, war er der einzige Mensch hier drinnen. Der Kerl würde aber bestimmt auch bald gehen. Vielleicht noch 10, 15 Minuten, dann war auch sein letzter Sack Wäsche fertig… Wie, um alles in der Welt, konnte jemand so viele Klamotten besitzen, dass er stundenlang mit Waschen beschäftigt sein konnte? Einige Leute sind doch echt krank!
Der Kerl sagte kein Wort. Er stand nur zwischendurch auf, um eine Maschine zu entleeren und wieder etwas in den Trockner zu packen. Er war offenbar von der ganz akkuraten Sorte, trennte Weißes und Schwarzes, Wolle und Feines… Kranker Typ .
Für den Rest saß er nur da, und las das irgendeinen Quatschkram von John Grisham.
Früher hatte er selbst viel gelesen – vor seinem Unfall. Aber vor seinem Unfall hatte er auch noch eine Frau und einen Bruder und war erfolgreicher Rechtsanwalt. Er hatte damals überhaupt gar keinen echten Sinn in seinem Leben, dachte er heute. Er hatte nur vor sich hin vegetiert, Tag für Tag, Jahr um Jahr. Aber seit er den Unfall hatte, entdeckte er stets aufs Neue andere Facetten an sich. Und nun, so glaubte er, hatte er die endgültige Berufung gefunden: Gigolo. Jawohl! Er würde Erfolg haben, nur die Ruhe. Irgendwann musste sich das Blatt doch mal zum Guten für ihn wenden, oder? Immer nur Pech haben, das ging ja nun auch nicht.
Kurz darauf verließ der Typ tatsächlich den Salon und er war allein.
Er starrte auf seine Armbanduhr. Die war noch richtig gut. „Feine Uhr“ sagte sein Nachbar immer. Sein Nachbar war ein alter Opa namens Eriksen. Ein alter Norweger, ein echt alter sogar.
Nach einer Weile nicht enden wollenden Leerlaufs, betrat schließlich eine Frau den Salon. Der alte Gigolo traute seinen Augen nicht – was war denn das für ein steiler Zahn.
Mein lieber Herr Gesangsverein.
Sie war der Inbegriff für die Bezeichnung „Luder“, hatte weiche Gesichtskonturen, große Augen, eine gerade Nase und trug die langen, welligen Haare offen. Was für ein Rasseweib , dachte er, während sein Blut durch sämtliche Regionen seines Körpers gespült wurde.
Fast alle Frauen die sonst herkamen hatten irgendwelche Makel. Entweder sie hatten eine zu krumme Nase, ein zu faltiges Gesicht, Zähne, die wie weiße Betonblöcke waren und kaum in ihre Münder passten und, und, und.
Sie trug ein knappes Top, dass gerade einmal ihre Brüste bedeckte. Der Bereich zwischen Bauchnabel und dem Saum ihrer Shorts war nackt. Selbst dort war ihre Haut braungebrannt, wie auch die Haut an ihren Beinen, und die waren sehr schlank. Nicht besonders lang, aber schlank, und Orangenhaut oder andere Unebenheiten waren nicht im Geringsten auszumachen.
Sie ging barfuss in hochhackigen Sandalen.
Der Gigolo befeuchtete seine Lippen und fixierte sie mit seinen gierigen Augen, so dass er im ersten Moment gar nicht registrierte, dass eine weitere, jüngere Frau, ihr in den Salon gefolgt war. Sie hatte einen großen blauen Sack bei sich, den sie direkt vor eine der Waschmaschinen abstellte. Die Frau beachtete ihn gar nicht. Sie ist ein Rasseweib, das kann ich auch nicht erwarten , dachte er. Jetzt bin ich dran. Jetzt muss ich auf sie zugehen und ein wenig die Werbetrommel rühren .
Der Zeitpunkt hätte besser nicht sein können. Er war der einzige Mann hier drinnen. Allein mit dieser Perle und… der anderen… Was immer das für eine war. Er bemerkte sie jetzt und schenkte auch ihr einen kurzen Moment lang seine Aufmerksamkeit.
Sie schien irgendwie einen Schaden zu haben, dass sah man ihrem Gesicht. Ihr Mund stand ein Stück offen und ihre Augen wirkten schläfrig, beinahe sediert. Sie war bei weitem nicht so freizügig gekleidet und wirkte im Ganzen eher gedrungen und unförmig. Sie hatte kaum etwas Weibliches an sich. Wilde Fantasien spukten plötzlich
Weitere Kostenlose Bücher