Per Anhalter (German Edition)
laut zugeschlagen und immer wieder betont, dass das Baby sich quasi von Kopf bis Fuß dicht geschissen hatte. Sie hörte überhaupt nicht mehr auf zu fluchen. Und wenn sie nicht fluchte dann kam zumindest ein „Mann ey“ oder „Harrrr!“ aus ihr heraus. Inzwischen war es abgeklungen, aber sie wirkte nach wie vor reserviert. Diesmal bot sie ihm keine Zigarette ein und Lasse fragte auch nicht, ob er eine haben konnte. Vermutlich war es das Beste, wenn man gar nichts sagte, auch wenn dies dazu führte, dass David sich einmal mehr wie das berühmte fünfte Rad am Wagen fühlte. Die Situation war jetzt noch einmal um ein Vielfaches unangenehmer als am Anfang der Fahrt, als keiner etwas sagte.
Ein blaues Schild am Straßenrand zeigte an, dass es noch 30 Kilometer bis Flensburg waren. Er versuchte sich im Kopf auszurechnen, wie lange sie bei der aktuellen Geschwindigkeit von gerade einmal knapp über 120 Km/h noch brauchen würden, aber nicht einmal das bekam er auf die Reihe. Er war zum Zerreißen angespannt. Plötzlich piepte es aus seiner Hosentasche. Für den Bruchteil einer Sekunde durschoss ihn wieder einer dieser paranoiden Gedanken, die er heute andauernd hatte: Es ist Lena. Sie schreibt: Hallo Schatz, bist du schon unterwegs? Du, sei mir nicht böse, aber lass uns das mit dem Treffen lieber noch ein bisschen verzögern, okay? Hab ganz vergessen, dass ich heute Nachmittag noch zum Zahnarzt soll. Oder: Meine Mama ist krank und mir geht’s auch irgendwie nicht so gut. Oder: Mein aller bester Freund hat Probleme und braucht mich heute… Oder, oder, oder. Es war eine rundweg irrationale Angst, aber sie war grässlich einnehmend.
Seine Hände zitterten und auf seiner Brust lag ein sublimer Druck, als ob sein verliebtes Herz schon einen winzigen Haarriss hatte, den nur er bemerkte, und dieser jeden Moment sein Innerstes aufreißen würde. Sogar sein Augenlid flatterte, als er das Handy in der Hand hielt.
„Das ist `n nerviger Ton!“ – David nahm das Gesprochene gar nicht wahr. Die SMS war von Lena, aber sie war harmlos.
Bald bist du da Babyyyyyyyy!!!!!! Komm ganz schnell. Ich freu mich auf dich und liebe dich über alles <3!!!!!!! Deine Prinzessin :-*.
David schmunzelte, er war von einer Zentnerlast befreit.
„Was hast du eben gesagt?“ fragte er Britta.
„Das ist `n nerviger Ton!“ widerholte sie gereizt,
„Wer war das, dein Kumpel? Fragt er wo du bleibst?“,
„Ja, nee, das war `n anderer Kumpel.“,
„Verstehe. Willst du nicht antworten?“
Was geht dich das eigentlich an?
David schüttelte den Kopf. „Nö, war nix wichtiges.“
Britta zog Rotz hoch und hüstelte, wobei das hüsteln eher ein räuspern war.
David fand das ziemlich eklig, und doch schien es irgendwie zu der schlanken Frau im Tanktop zu passen.
Sie war nicht angepasst, verachtete Anstand und Moral und sie schien auch nicht den Anspruch zu haben, von irgendwem gemocht zu werden.
„Das war dein Homo-Freund, wa?“ Es war Lasse!
Er schob sein fettes Speckgesicht zwischen die beiden Sitze hindurch und schaute ihm über die Schulter. „Geht das jetzt schon wieder los?“ fragte David.
Er musste sich auf die Zunge beißen, um nicht auszuflippen.
Dieser Junge war wie ein bestimmter Duft oder ein aufdringlicher unterschwelliger Schmerz – er machte einen mit einfachsten Mitteln hochgradig aggressiv! Und jetzt war es ihm egal, er sagte ihm die Meinung: „Ich bin kein Homo, okay? Lass deine bescheuerten Kommentare doch mal.“,
„Mommor, weißt du waas?“ jetzt ging Lasses beknackte Kleinkindersprache wieder los, „Ich glaub, David ist schwuul!“ Erwartungsfroh schaute David Britta an. Es war an der Zeit, dass sie ihren aus der Form geratenen Ableger mal kräftig auf die Finger klopfte und ihm sagte, dass er damit aufhören sollte. Und genau das würde sie tun, richtig? Sie war schließlich eine Erwachsene und obendrein längst hochgradig genervt. Ganz sicher fehlte ihr jede Spur von Lust, sich dieses dümmliche vorpubertäre Gelaber anzuhören. Zumindest wäre es bei seiner Mutter so gewesen. Doch Britta fuhr einfach weiter. Sie hatte eine Hand ganz leger aufs Lenkrad gelegt, mit der anderen spielte sie in ihrem Haar.
David bekam einen Kloß im Hals (wieder einmal!). Lass dich nicht von dieser kindischen Fettwanze provozieren. Das will er doch nur! Er will nur, dass du ausflippst. Wenn du ein echter Kerl bist, dann stehst du über den Dingen. Wenn die Alte nichts sagt, ist das ganz schön armselig, aber vielleicht
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