Per Anhalter (German Edition)
fort. Lasse hatte keinen blassen Schimmer wohin sie fuhr. Jedenfalls schüttelte sie immer wieder den Kopf und schnaubte und wiederholte sich immer wieder damit, was Papa doch für ein Arschloch sei. Jetzt auch wieder. Und wie schon die Male zuvor nickte Lasse artig mit dem Kopf.
„Ja, Mama, Papa ist ein Arschloch.“,
„Nein, Mama, ich werde diesen Mann nie wieder meinen Vater nennen!“
Die ganze Sache wurde allmählich echt anstrengend. Doch dieses Mal reichte es der braunen Kunstfigur, die einmal seine Mutter war, nicht aus. Nach ungefähr zehn Sekunden sagte sie schroff: „WAS?“ Er sah sie verständnislos an. Am liebsten hätte er sie genau dasselbe gefragt.
„Ich will dir jetzt mal was verraten du kleiner Kacksack. Duu existierst normalerweise gar nicht. Duu bist das Produkt meiner Erziehung, aber nicht das Produkt meiner Möse!“ Eigentlich brauchst du mich auch nicht mehr Mama nennen. Ist doch jetzt eh alles egal.“ Lasse bekam Panik. Warum macht sie das jetzt? Denkt sie wirklich, dass ich davon noch nichts weiß? Will sie mich jetzt auch umbringen, so wie Vivi? Setzt sie mich vielleicht sogar einfach hier raus und lässt mich allein? Er bekam kaum noch Luft. Sein Speichel schmeckte sauer wie Ohrenschmalz.
„Ich will nur dass du das weißt, klar? Enttäusch mich nicht! Du nicht auch noch!“
Sie schaute abwechselnd auf ihn und auf die Straße. „Deine leibliche Mutter war eine missratene Schlampe. Ein richtiges Dreckstück ist sie gewesen. Ich hab sie mal besucht, als du noch ein Baby warst. Und soll ich dir was sagen? Sie hat dich gebissen. Weil du mit deinen Fingern die Scheiße aus deiner Windel gepuhlt hast.“ Sie fing an, schluchzend zu lachen.
„Sie hat es zuerst gar nicht mitbekommen. Als sie die Bescherung dann sah, ist sie völlig ausgetickt. Hierhin hat sie dich gebissen“ sagte sie und deutete auf ihre Brust. „Mitten rein. Dieses kranke Biest. Wenn ich nicht gewesen wäre, dann hättest du bei dieser geisteskranken Hure aufwachsen müssen. Hätte dir das vielleicht besser gefallen? Sag´s ruhig, wenn´s so ist.“
Lasse dachte, ich habe doch gar nichts gesagt! Es war das erste Mal, dass sie überhaupt mit ihm über seine richtige Mutter sprach. Was zur Hölle ging hier vor?
„ Die Grafen kommen hat sie immer gebrüllt. Die Grafen! Sie war eine elende Verrückte, deine Mutter. Ganz elend! Sie hat dich in heißes Badewasser gesteckt. Also wirklich heiß! Nicht nur ziemlich warm sondern eins vor kochend. Ja, die Grafen sagten ihr, welche Temperatur sie einstellen sollte. Und ich sage dir, du hast geschrien wie am Spieß! Und weil sie damit überhaupt nicht klar kam, hat sie dir dein kleines Köpfchen unter Wasser gehalten, damit du endlich aufhörtest zu schreien. Und gesoffen hat die blöde Kuh. Gesoffen wie ein Loch! Und je höher ihr Pegel war, desto schlimmer wurde es. Einmal hat sie mich mitten in der Nacht angerufen und zu mir gesagt, sie hätte mit dem Grafenmann geschlafen. Er sei zu ihr ins Bett gekommen und hätte sie gefickt. Sie wollte nicht mehr leben. Ich bin natürlich sofort hin und wollte sie trösten. Wir waren ja befreundet, deine Mutter und ich. Komm ich da an, die Wohnung, Lasse, ich sage dir, ein einziges Schlachtfeld . Du warst da auch schon auf der Welt. Deine vollgeschissenen Windeln lagen in der Küche. Auf dem Fußboden, auf dem Tisch. Überall! Und du selber hattest nicht mal mehr eine an, weil sie keine mehr da hatte und ihr ganzes Geld versoffen hatte. Dann: Müllberge, noch und noch. Leere Milchpackungen, angegammelte Kochpötte wo schon Schimmelpelze drin wuchsen, die Näpfe von eurer Katze umgekippt, kreuz und quer verteilt. Dann du , mitten in der Nacht noch wach, dicht geschissen von Kopf bis Fuß. Und sie: Nachthemd zerrissen, die Knöpfe auf, unten drunter nackt. Ihr Körper: grün und blau, überall Blut, offene Wunden, weil sie sich ja dauernd mit ihren Kippen verbrannt hat. So, und ich mitten drin, stehe da und schüttel den Kopf. Und dann sagt sie zu mir: ich mach alles was du willst, aber nimm diese Männer hier weg. Die sind alle böse! Ich mach alles was du willst!“ Lasse sah sie an. Er sagte kein Wort zu alledem. Was hätte er auch sagen sollen? Irgendwann im Laufe der Jahre hatte er all diese Dinge bereits gehört. Sie stimmten offensichtlich. Nur hatte sie sie immer Papa erzählt und nie ihm. Warum jetzt? Was wollte sie damit bezwecken?
„Sie hat sich mit dem Kopf auf heiße Herdplatten gelegt. Manchmal mitten im Gespräch. Du
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