Per Anhalter (German Edition)
lagen Mamas Klamotten. Ihr Schlüpfer war verdreht und er erkannte eine große gelbe Kruste darin. Nur wo war sie ? Das Auto stand noch da und seine Tür war ebenfalls noch geöffnet. Er erinnerte sich wieder daran, wie er aus dem Auto gestürzt war und alles vollgekotzt hatte. Doch von der Kotze war nichts mehr zu sehen. Er stand auf und taumelte schlaftrunken um das Auto herum. Dann sah er sie! Was für ein Anblick! Sie saß, ihm den Rücken zugekehrt und nackt bis auf die Knochen, im Gras und schaute in ihren Schminkspiegel. Ihre Haare lagen um sie herum auf dem Boden. Er hörte sie leise und sehr heiser etwas Summen, und sah sie nach einer Dose Haarspray greifen.
Sie hatte sich selbst die Haare geschnitten. Und es sah - gelinde formuliert - fürchterlich aus.
Ruckartig drehte sie sich um und grinste ihn an. Und Lasse fiel fast hinten über.
„Mommor“ raunte er entsetzt.
„Na Sohnemann“ grüßte sie strahlend. „Was sagst du dazu?“
Ja... Was sollte er dazu sagen? Ihr Gesicht sah aus, als hätte sie es mit ihrer eigenen Kacke eingerieben. Ganz braun und... einfach hässlich! Er kam noch nicht einmal dazu ihr zu antworten, da verfinsterte sich ihre zunächst so aufgelockerte Miene.
„Gefällt dir wohl nicht, was? Schönen Dank auch.“,
„Sieht... Anders aus“, stotterte er,
„Ja, klasse. Ich kann es nicht ändern. Ich finde mich schön aber vielen Dank auch.“ Jetzt klang sie auf einmal total weinerlich. Sie kehrte ihm den Rücken zu und warf beleidigt einen ihrer Pinsel ins Gras.
„Ich hab grad mit Lolle telefoniert“ sagte sie dann. „Wir werden eine Weile bei ihm einziehen. Erstmal zumindest. Mama muss erstmal sehen wie sie zu Geld kommt.“ Lasse verstand die Welt nicht mehr. War sie nicht gestern blutend aus Lolles Werkstatt herausgekommen? Behandelte man so etwa Freunde ? Freunde, die man am nächsten Tag anrief und bei denen man einzog?
„Ich möchte dass du dich gut benimmst.“ Sie stand auf.
Trotz oder gerade wegen der braunen Farbe im Gesicht, sah sie unglaublich müde, sogar blass und krank aus.
Lasse hatte keine Ahnung was „Wahnsinn“ im eigentlichen Sinne bedeutete, aber das war auch nicht nötig. Er brauchte diese Frau nur anzusehen um mehr als genug zu wissen und zu verstehen. „Ich möchte dass du kein Wort über David zu ihm sagst, okay? Kein Wort! Lass das einfach meine Sorge sein, hörst du?“ Er nickte. Sie kam auf ihn zu und packte ihn mit der Hand am Hals. „Ich meine es ernst!“ Dann ging sie weiter.
Tja, und so hatte der Tag gleich wieder seltsam begonnen. Ein einfaches „Guten Morgen“ wäre ihm lieber gewesen. Wollte Mama noch in der Nacht mit ihm zusammen im See baden (auf den er immerzu wie gebannt starrte, als würde Vivi ihren Kopf jeden Augenblick aus dem seichten Wasser recken), schenkte sie ihm jetzt keinerlei Beachtung mehr. Zunächst fand er das gar nicht so schlimm, weil er ihr immer noch zeigen wollte, dass er die Sache mit Vivi wirklich sehr mies von ihr fand, doch irgendwann wurde die gegenseitige Nichtbeachtung so schlimm für ihn, dass er immer wieder ihre Nähe suchte. Doch sie registrierte es gar nicht. Das einzige was sie tat, war mit ihrem Handy herum zu laufen und irgendetwas Unverständliches vor sich hin zu nuscheln. Und sie sah wirklich extrem schlimm aus.
Er hatte sich irgendwann auf den Fahrersitz gesetzt und ihr zugesehen. Es war, als betrachtete man eine schlaffe menschliche Hülle. Sie ging vornübergebeugt und glotzte mit walrossgroßen Augen (die heute extrem weiß aussahen) und in einem fort rauchend auf ihr Handy. Eben jenes klingelte dann plötzlich.
„Na… Ja. Ja. Wann? Weiß ich nicht. Ist gut… Tschüss!“ und sie irrte weiter umher.
Keine Spur mehr von Summen oder Kichern oder sonst irgendeiner Form von Fröhlichkeit. Lasse räusperte sich und irgendwann brachte er es fertig, sie zu rufen. Sie reagierte zunächst gar nicht, und das war wahrscheinlich noch nicht einmal böse gemeint. Sie war einfach viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um auch nur die kleinste Kleinigkeit dessen, was um sie herum geschah, wahrzunehmen.
„MAAAMAAA!!“ Jetzt sah sie auf und traf ihn mit ihrem Blick, so dass er auf der Stelle wieder wie gelähmt war und alles, was ihm einfiel, letztlich war: „Haben wir einglich noch Bifi-Wörste?“,
„ Was? “ zischte sie von weitem her mit zugekniffenen Augen, als hätte er seine Frage auf Chinesisch formuliert.
„Bifi-Wörste. Ob wir noch Bifi-Wörste
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