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Per Anhalter (German Edition)

Per Anhalter (German Edition)

Titel: Per Anhalter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oke Gaster
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spielt auf seine alten Tage Congratulations für dich? Lolle musste über sich selbst schmunzeln, und über die Bilder in seinem Kopf, wo er die Tür zur Hütte öffnete, das Licht wie durch Zauberhand anging und Cliff Richard aus einem Konfettiregen trat, ein Mikrofon in der Hand hielt und zu singen begann. Er strahlte über beide Backen und eine Frau, die wie die gute alte Maren Gilzer vom Glücksrad aussah, kam mit einem geöffneten Koffer voll Geld auf ihn zu. Auch sie selbstverständlich mit einer strahlenden Eleganz! Doch so sehr er sich auch über diese aberwitzige Vorstellung selbst belächelte: Irgendetwas hatte Britta hier ja nun mal definitiv getan. Und es galt herauszufinden, was es war… Denn die Vorwürfe gegen sie waren nicht so lustig. Und wenn ich nichts finde, muss ich wenigstens dafür sorgen, dass hier auch niemand was von mir oder von Oskar findet. Also weiter!
     
    Und so schnell war der kurzweilige Anflug von Heiterkeit auch wieder dahin. Das nervöse Unwohlsein hatte wieder die Oberhand. Er öffnete jeden einzelnen Küchenschrank. Darin war neben orangenem 70 und 80er Jahre Geschirr noch Puddingpulver und eine Tupperdose voll Mehl, welches seinen Zenit wohl schon seit mindestens einem Jahrzehnt überschritten hatte. Oskar und er hatten vor einer Ewigkeit schon festgestellt, dass sich in dem angestaubten Behältnis etwas bewegte, das aussah wie Würmer. Winzig klein und ekelerregend. Warum sie die Dose und die zahllosen anderen antiquierten Lebensmittel nicht schon längst entsorgt hatten, wusste Lolle auch nicht. Sie hatten es sich mehrmals vorgenommen. Eigentlich war, „wir müssten hier mal aufräumen“, jedes Mal Thema wenn sie herkamen. Aber sie taten es nie.
    In den Küchenschränken befand sich jedenfalls nichts Brauchbares. Kein Geld und auch sonst nichts von Bedeutung.
    Gegenüber von der Küche lag das Badezimmer. Wobei die Bezeichnung „Badezimmer“ fast schon lächerlich wirkte, angesichts des kleinen Raumes. Es war vielmehr eine kleine Kammer in die mit Ach und Krach eine Kloschüssel, ein Waschbecken und eine Dusche Platz fanden. Die Deckenlampe war nur eine Glühbirne, die leidenschaftslos an einem Kabel hing. Als sie hier das erste Mal zum Angeln herkamen, schwamm eine tote Ratte im abgestandenen Toilettenwasser. Und nicht nur das: hinter den Kacheln der Dusche befand sich ein ganzes Nest von Ratten. Dieses hatten sie jedoch erst später entdeckt, als sie sich immer wieder über die seltsamen Geräusche wunderten, die man beim Kacken und Duschen hier hörte. Eigentlich hatten sie beide es bereits geahnt, doch als dieser Schwarm von Ratten aus der Wand krabbelte, waren sie beide vor Ekel wie gelähmt. Das Schlimmste war die Geschwindigkeit mit der sie sich in der kleinen Kammer ausbreiteten.
    Oskar und er hatten zwar Spaten mit, aber beide jeweils nur einen lumpigen Blaumann am Leib. Man kann sich gar nicht vorstellen, mit was für einem irrwitzigen Tempo einen diese langschwänzigen, pelzigen Untiere überfallen. Es schüttelte ihn noch heute, wenn er an ihr makaberes Projekt „Rattenvernichtung“ zurück dachte.
    Das schrille Quieken, wenn man sie mit dem Spaten gut traf und sie quasi in zwei Hälften teilte, war ein Ton, der sich einem zeitlebens ins Hirn brannte, als handelte es sich um eine Krankheit. Schon in Ansätzen ähnlich klingende Laute assoziierte man plötzlich damit, wie ein Spaten niedersauste und ein erbärmliches Knacken ertönte, dass sofort vom Todesschrei einer Ratte übertönt wurde. Dann hatte man das Gefühl, als ob die anderen Ratten wie Kumpel waren und sich erst recht um einen herum scharrten… Absolut abartig! Die Spuren des Kampfes waren noch heute klar und deutlich auf den Fliesen zu erkennen. So gut wie jede der alten Bodenplatten war demoliert und von zahlreichen Rissen gezeichnet. Das Loch, in dem die Ratten einst hausten, hatten sie anschließend mit Zement dicht gekippt und seitdem war Ruhe.
    Doch es dauerte noch eine schiere Ewigkeit, bis Lolle wieder diesen Raum betreten konnte, ohne sich vor Ekel zu schütteln und daran zurückzudenken, wie sie Zentnerweise stinkende Kadaver mit je einem Besen(!) nach draußen kehrten, wo sie sie (inzwischen mit Gasmasken bekleidet) in große blaue Säcke stopften, die sie anschließend im See ertränkten. „Nächstes Mal nehmen wir ´n Kammerjäger, Alter, das schwör ich dir“ hatte Lolle zu Oskar gesagt, dessen Gesicht so grün war wie ein Laubfrosch.
     
    Hier brauch ich wohl auch gar nicht

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