Per Anhalter in den Himmel - wahre Geschichten für Teens
der sofort begann, das Keybord an den Stellen zu polieren, wo Austin es angefasst hatte.
Auf dem Bürgersteig vor dem Geschäft schob Austin sich einen sauren Drops in die Backe.
„Was für ein aufgeblasener Schaumschläger“, schnaubte ich. „Warum hast du dir das gefallen lassen?“
„Da“, sagte Austin und reichte mir ein Bonbon. Ich steckte es in den Mund, und es fühlte sich an, als ob die gesamte Spucke aus meiner Kehle angesaugt würde.
„Wenn du ein echter Mann sein willst, kleiner Bruder, dann musst du die andere Wange hinhalten“, sagte Austin.
„Warum?“ Ich spuckte den sauren Drops auf den Bürgersteig. „Damit ich zweimal geschlagen werde?“
Austin legte mir die Hand auf die Schulter. „Kleiner Bruder, du brauchst eine ordentliche Dosis Jesus.“
Ich schüttelte seine Hand schnell ab. „Jesus?! Ohne mich. Auf gar keinen Fall. Absolut nicht.“
„Oh je.“ Austin verschränkte die Arme. „Diejenigen, die sich am meisten dagegen wehren, wünschen es sich am meisten.“
„Das wüsste ich aber“, antwortete ich und machte mit beiden Händen eine wegwerfende Geste.
…
In Austins Kirche roch es nach Schimmel und Farbe. Ich wollte gar nicht mit dorthin, aber Mrs Goodwin hatte Austin gebeten, früher zu kommen.
„Tolles Echo!“ Ich prellte meinen Basketball auf den Boden. Austin warf mir einen warnenden Blick zu.
Er saß am Klavier, während ich in den Informationsbroschüren für Besucher herumkritzelte. Zuerst spielte er ganz leise, aber dann wurde die Musik lauter. Sie berührte mich. Es fühlte sich an, als hätte jemand eine Tür in meiner Brust geöffnet und warf jetzt die Töne hinein.
„Wow!“, sagte ich, als er fertig war. „Was war das?“
„Einfach irgendwas, das ich mir ausgedacht habe.“
„Wunderschön!“ Eine Frau kam herein. Sie trug an beiden Armen etliche Armreifen.
„Austin, du bringst eine alte Frau zum Weinen. Und du musst Kyle sein.“ Sie lächelte. „Bring Austin mit nach unten, Kyle. Da ist etwas, das er sehen sollte.“
Unten war eine Küche mit ein paar zerkratzten Tischen und einigen Barhockern. Und dann sah ich es. An einer Wand stand Austins Yamaha PR-500!
„Mrs Goodwin!“ Austin atmete schwer aus. „Woher wussten Sie …?“
Ihre Armreifen klimperten. „Du hast es verdient, mein Schatz“, sagte sie. „Du hast genug Fenster geputzt. Jetzt bin ich an der Reihe.“
„Sie haben doch schon …“
„Still, Junge. Lass doch einer alten Frau einfach ihren Willen.“
Austin schaltete das Keyboard ein und stellte es dann so ein, dass es wie eine Geige klang. Dann probierte er Trommeln aus und dann hörte es sich an wie ein Chor von Engeln.
„Hey“, fragte ich ihn. „Kannst du es auch so einstellen, dass es sich anhört, als ob jemand rülpst?“
„Frag mich was Besseres“, sagte Austin.
…
Als Austin nach oben ging, bot ich ihm an, auf das Keyboard aufzupassen. Es war ziemlich cool. Ich konnte Trompeten nachmachen und Orgel und ein Instrument namens „Vibrafon“.
Dann hatte ich eine Idee. Wenn ich es geschafft hatte, ein Pinkelbecken dazu zu bringen, „Jingle Bells“ zu spielen, wenn man spülte, dann musste es doch auch möglich sein, ein paar Drähte in dem Keyboard zu vertauschen und zu versuchen, es wie eine Kuh, ein Huhn oder ein Schaf klingen zu lassen.
Austin würde umfallen vor Lachen.
Ich fand einen Schraubenzieher und baute die Rückwand ab. Ich zog die Platine heraus, fummelte daran herum und baute sie wieder ein. Dann drückte ich auf eine Taste. Es hörte sich genau so an wie eine Ente, die gewürgt wurde. Ich drückte noch eine Taste – dasselbe Geräusch ertönte. Keine Glocken, keine Trommeln, einfach ein Krächzen, das in einer Art Schnaufen endete.
Das Klavierspiel über mir hatte aufgehört und ich hörte Schritte auf der Treppe. So schnell ich konnte, stopfte ich die Drähte und Kabel zurück in das Keyboard.
Austin kam hereingeplatzt und blieb jäh stehen, als er die Drähte sah, die ich noch in der einen Hand hatte. Er steckte sich wortlos einen sauren Drops in den Mund und ging weg.
Ich fand ihn auf Knien in der Sakristei. Mrs Goodwin war inzwischen gegangen.
„Was machst du da?“, fragte ich.
„Ich bete, dass ich dich nicht umbringe“, murmelte er mit dem Drops im Mund.
Es war ein guter Augenblick, wieder hinunterzugehen. Ich fummelte weiter mit anderen Drähten. Nichts funktionierte. Es war doch nicht meine Schuld, dass es so viele Schaltkreise gab. Wenn Austin so war, dann gab es
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