Percy Jackson Bd. 5 Die letzte Göttin
versprochen.«
Ich schleppte mich unter Schmerzen einen Schritt weiter. Grover war wieder auf den Beinen, drüben beim Thron der Hera, aber
auch er schien sich kaum bewegen zu können. Ehe wir auch nur in die Nähe von Annabeth gekommen waren, geriet Kronos ins
Taumeln.
Er starrte das Messer in Annabeths Hand an, das Blut in ihrem
Gesicht. »Versprochen.«
Dann keuchte er, als bekäme er keine Luft. »Annabeth …« Aber
es war nicht die Stimme des Titanen, sondern Lukes. Er taumelte vorwärts, als ob er seinen eigenen Körper nicht unter Kontrolle hätte. »Du blutest …«
»Mein Messer.« Annabeth versuchte, ihren Dolch zu heben, aber
er fiel ihr klirrend aus der Hand. Ihr Arm war in einem seltsamen Winkel abgeknickt. Sie sah mich flehend an. »Percy, bitte …«
Ich konnte mich wieder bewegen.
Ich sprang vor und hob ihr Messer auf, schlug Luke Rücken-
beißer aus der Hand und das Schwert wirbelte in die Feuerstelle.
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Luke achtete kaum auf mich. Er trat auf Annabeth zu, aber ich
schob mich dazwischen.
»Fass sie nicht an«, sagte ich.
Auf seinem Gesicht spiegelte sich Zorn. Kronos’ Stimme knurrte:
»Jackson …« Bildete ich mir das ein, oder glühte jetzt sein ganzer Körper, wurde golden?
Er schnappte wieder nach Luft. Dann Lukes Stimme: »Er ver-
ändert sich. Hilfe. Er … er ist fast so weit. Er wird meinen Körper nicht mehr brauchen. Bitte …«
»NEIN!«, dröhnte Kronos. Er hielt Ausschau nach seinem Sch-
wert, aber das lag in der Feuerstelle und glühte zwischen den
Kohlen.
Er stolperte darauf zu und ich versuchte, ihn aufzuhalten, aber er stieß mich beiseite. Ich landete neben Annabeth und knallte mit dem Kopf gegen den Sockel von Athenes Thron.
»Das Messer, Percy«, murmelte Annabeth. Ihr Atem war flach
und schnell. »Seine Seele … verfluchte Klinge …«
Als ich wieder klar sehen konnte, packte Kronos gerade sein Schwert. Dann brüllte er vor Schmerz auf und ließ es fallen. Seine Hände waren verbrannt und rauchten, und das Herdfeuer war jetzt glühend rot, als ob die Waffe sich nicht damit vertrüge. Ich sah in der Asche das Bild der Hestia, die Kronos voller Missbilligung musterte.
Luke drehte sich zu mir um und brach zusammen, seine zer-
störten Hände presste er schützend an sich. »Bitte, Percy …«
Ich kam mühsam auf die Beine und ging mit dem Messer auf ihn
zu. Ich musste ihn töten. Das sah der Plan vor.
Luke schien meine Gedanken zu erraten. Er befeuchtete sich die Lippen. »Du kannst … kannst es nicht selbst. Er würde meine Kontrolle brechen und sich verteidigen. Nur meine eigene Hand. Ich weiß, wo. Ich kann … kann ihn unter Kontrolle halten.«
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Er glühte jetzt am ganzen Leib und seine Haut fing an zu
rauchen.
Ich hob das Messer, um zuzustechen. Dann sah ich zu Annabeth
hinüber, zu Grover, der sie in den Armen hielt und versuchte, sie zu beschützen. Und endlich begriff ich, was sie mir zu sagen versucht hatte.
Du bist nicht der Heros, hatte Rachel gesagt. Das wird deine Taten beeinflussen.
»Bitte«, stöhnte Luke. »Schnell.«
Wenn Kronos seine wahre Gestalt annähme, würden wir ihn
nicht mehr aufhalten können. Neben ihm würde Typhon aussehen
wie ein Spielplatzheld.
Eine Zeile aus der Großen Weissagung hallte in meinem Kopf
wider: Seine Seele wird von verfluchter Klinge gefällt. Meine Welt stellte sich auf den Kopf und ich reichte Luke das Messer.
Grover quietschte auf. »Percy? Bist du … äh …?«
Wahnsinnig. Verrückt. Durchgeknallt. Wahrscheinlich.
Aber ich sah zu, wie Luke das Messer packte.
Ich stand vor ihm – wehrlos.
Er öffnete die Seitenriemen seiner Rüstung und entblößte ein
kleines Stück Haut gleich unter seinem linken Arm, eine Stelle, die sehr schwer zu treffen war. Mit großer Mühe stach er hinein.
Es war keine tiefe Wunde, aber Luke heulte auf und seine Augen glühten wie Lava. Der Thronsaal bebte und ich stürzte zu Boden.
Eine Aura aus Energie umgab Luke, wurde heller und heller. Ich schloss die Augen und spürte, wie die Explosion meine Lippen
platzen ließ und meine Haut mit Blasen überzog.
Dann war es sehr lange still.
Als ich die Augen öffnete, lag Luke neben der Feuerstelle. Der Boden um ihn herum war mit schwarzer Asche bedeckt. Kronos’
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Sense war geschmolzen und tropfte in die Kohlen des Herdes, die jetzt glühten wie in der Esse eines Schmiedes.
Lukes linke Seite war blutverschmiert. Seine Augen waren of-
fen – blaue Augen, so wie früher. Er
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