Percy Jackson Bd. 5 Die letzte Göttin
Rüstungstasche haben
müssen, denn seine Nase war feucht und rot und einfach widerlich.
Er band seine Axt los und schwenkte sie.
Die Axt war schön – auf so eine Ich-werde-dich-aufschlitzen-wie-einen-Fisch- Art. Die beiden Klingen der Axt waren wie ein Omega geformt: Ω, der letzte Buchstabe des griechischen Alpha-bets. Vielleicht, weil die Axt das Letzte war, was seine Opfer jemals sahen. Der Schaft war ungefähr so lang wie der Minotaurus groß und bestand aus mit Leder umwickelter Bronze. Unten um beide
Klingen waren jede Menge Perlenketten gewickelt. Ich erkannte
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darin Camp-Half-Blood-Ketten – von besiegten Halbgöttern
geraubt.
Ich war so wütend, dass meine Augen bestimmt mindestens so
glühten wie die des Minotaurus. Die Monsterarmee feuerte den
Minotaurus an, aber alles verstummte, als ich seinem ersten Hieb auswich und die Axt in zwei Hälften schlug, genau zwischen den Griffen.
»Muuh?«, grunzte er.
»HAA!« Ich fuhr herum und trat ihn in die Schnauze. Er
taumelte rückwärts und versuchte, wieder festen Boden unter die Füße zu bekommen, dann senkte er den Kopf zum Angriff.
Dazu kam er aber nicht mehr. Mein Schwert leuchtete auf – und
schnitt ein Horn ab, dann das andere. Er versuchte, mich zu packen. Ich rollte mich weg und hob die Hälfte der zerbrochenen Axt auf. Die anderen Monster wichen in verdutztem Schweigen zurück und bildeten einen Kreis um uns.
Der Minotaurus brüllte vor Wut. Er war ohnehin nicht gerade
der Schlauste, aber jetzt ließ die Wut ihn alle Vorsicht vergessen.
Er griff mich an und ich rannte zum Rand der Brücke, wobei ich eine Reihe Dracaenae durchbrach.
Der Minotaurus witterte sicher schon den Sieg: Er glaubte, ich wollte fliehen. Seine Leute jubelten. Am Rand der Brücke drehte ich mich um und stemmte die Axt gegen das Geländer, um seinen
Angriff aufzufangen. Der Minotaurus wurde nicht einmal
langsamer.
KNIRSCH!
Er schaute überrascht den Axtgriff an, der aus seinem Brustpanzer hervorschaute.
»Danke fürs Mitspielen«, sagte ich zu ihm.
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Ich hob ihn an den Beinen hoch und schob ihn über das
Geländer. Schon im Sturz löste er sich zu Staub auf, während seine Essenz in den Tartarus zurückkehrte.
Ich drehte mich zu seiner Armee um. Wir waren jetzt etwa hun-
dertneunundneunzig gegen einen. Ich wählte die nächstliegende
Lösung. Ich griff an.
Ihr fragt euch jetzt sicher, wie diese Unbesiegbarkeitsgeschichte funktionierte: ob ich auf magische Weise jeder Waffe auswich oder ob die Waffen mich trafen und mich nur nicht verletzten. Ehrlich, ich weiß es nicht mehr. Ich weiß nur, dass ich nicht vorhatte, diese Monster meine Heimatstadt einnehmen zu lassen.
Ich durchschnitt Rüstungen, als ob sie aus Papier wären. Schlangenfrauen explodierten. Höllenhunde schmolzen zu Schatten. Ich hieb und stach und wirbelte um mich selbst und vielleicht habe ich sogar ein- oder zweimal gelacht – ein irres Lachen, das mir selbst genauso viel Angst machte wie meinen Feinden. Ich registrierte, dass die Apollo-Leute hinter mir Pfeile abschossen und jeden Versuch der Monster, sich zusammenzuschließen, vereitelten. Endlich machten unsere Feinde kehrt und flohen – höchstens zwanzig von den zweihundert lebten noch.
Ich lief hinterher, dicht gefolgt von den Apollo-Leuten.
»Ja!«, rief Michael Yew. »Genau das habe ich gemeint!«
Wir trieben sie zurück nach Brooklyn, auf die andere Seite der Brücke. Im Osten wurde der Himmel jetzt heller. Vor uns konnte ich die Zollhäuschen sehen.
»Percy!«, schrie Annabeth. »Du hast sie doch besiegt. Komm
zurück! Wir müssen zusammenbleiben!«
Ein Teil von mir wusste, dass sie Recht hatte, aber da ich schon so weit gekommen war, wollte ich sie bis zum letzten Monster
vernichten.
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Dann sah ich die Menge am Ende der Brücke. Die fliehenden
Monster rannten ihrer Verstärkung entgegen. Es war eine kleine Gruppe, vielleicht dreißig oder vierzig zum Kampf gekleidete Halbgötter auf Skelettpferden. Einer trug ein lila Banner mit der schwarzen Sense.
Der Anführer ließ sein Pferd vortreten. Er nahm den Helm ab
und ich erkannte Kronos, mit Augen wie geschmolzenes Gold.
Annabeth und die Apollo-Leute blieben stehen. Die von uns ver-
folgten Monster erreichten die Frontlinie der Titanen und wurden in die neue Truppe aufgenommen. Kronos starrte zu uns herüber.
Er war zwar hundert Meter entfernt, aber ich schwöre, ich konnte ihn lächeln sehen.
»Jetzt«, sagte ich, »ziehen wir uns
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