Percy Pumpkin (Bd.1) - Mord im Schloss
ein eiskalter Wind wehte ihnen ins Gesicht. Düstere Wolken trieben wie zerfetzte Leinentücher an einem bleichen Mond vorbei, der so klein und fern am Himmel stand, als wollte er möglichst wenig mit Schloss Darkmoor und den Geschehnissen dort zu tun haben.
»Da braut sich schon wieder ein neues Unwetter zusammen«, sagte John und seufzte ebenfalls.
Der Abend ging so trübselig zu Ende, wie er begonnen hatte, denn das versprochene Dinner von Onkel Toby fiel aus, weil Inspektor Fortescue die Küche gesperrt hatte, um dort erneut nach Spuren zu suchen.
»Das macht dieser
Monsieur
nur, um uns zu ärgern,
n’estce pas?
«, schimpfte Onkel Toby und verteilte mithilfe zweier Dienstmädchen und eines Servierwagens Tomatensuppe aus der Dose und Brot auf alle Zimmer. Der Inspektor hattenämlich nicht nur die Küche versiegeln lassen, sondern auch den Speisesaal, das Billardzimmer, den Musiksaal und überhaupt alle großen Räume im Schloss, die dem geselligen Beisammensein dienten.
John stellte fest, dass die Dosensuppe nicht einmal mit einem Schuss Aunt Annie’s Worcestershire-Sauce lecker schmeckte, und rührte traurig in seinem Teller. Jim ließ vor seinem Stück trockenem Brot die Ohren hängen und Percy hatte sowieso keinen Appetit. Nur die Zwillinge schienen so aufgekratzt wie immer zu sein. Als John und Percy noch eine letzte Partie Murmeln vor dem Schlafengehen spielten, hatten die beiden Schwestern sich unter den Baldachin in Lindas Bett zurückgezogen und tuschelten aufgeregt miteinander. Und obwohl John sie mehrmals fragte, ob sie etwa Geheimnisse hätten, wollten sie nicht verraten, um was es ging.
Schließlich kam Lady Caroline und brachte Percy in sein neues Zimmer.
Jasper hatte ein Feuer im Kamin gemacht und einen seidenen Pyjama mit goldenen Knöpfen auf das riesige Himmelbett gelegt. Vor dem Kamin stand ein Hundekorb für Jim und im Kleiderschrank lagen frische, nach Lavendel duftende Wäsche und neue Hemden, Hosen und Jacketts. Und sämtliche dunkelroten Pullunder! Warum seine Eltern auch immer ohne ihn abgereist waren, sie hatten die Strickerzeugnisse seiner Oma genau wie Percy selbst zurückgelassen.
Tante Caroline gab ihm einen Kuss und wünschte ihm eine gute Nacht.
Percy stand noch eine Weile am Fenster und sah nachdenklich in die Dunkelheit hinaus, dann zog er sich um und kroch ins Bett. Jim sprang zu ihm, rollte sich am Fußende zusammen und war kurze Zeit später eingeschlafen.
Percy blickte im Zimmer umher. Das Feuer knisterte im Kamin, auf dessen Sims eine kleine Standuhr mit einem silbernen Pendel vor sich hin tickte. Zwei Mäuschen hatten sich aus ihrem Loch gewagt und liefen über den Teppich. Der Mond hatte einen Weg durch die Wolkendecke gefunden und schien an den dicken Samtvorhängen vorbei ins Zimmer.
An der Wand stand ein altes Puppenhaus, in dem eine elektrische Lampe brennen musste, denn es leuchtete von innen. Darüber hing ein Ölbild, das eine Kuh zeigte, die über den Mond sprang.
Percy rieb sich die Augen. Irgendetwas stimmte nicht.
»Natürlich stimmt etwas nicht«, sagte er zu sich selbst. »Du bist Zeuge eines furchtbaren Mordes geworden, kannst auf einmal reiten und Hieroglyphen lesen. Du siehst überall Monster und bist vor nicht einmal zwölf Stunden im Moor versunken. Deine Eltern sind mitsamt Auto und Gepäck verschwunden und sollen noch dazu an den Galgen gebracht werden. Natürlich stimmt etwas nicht!«
Aber da war noch etwas anderes, das nicht stimmte. Und dann, kurz bevor ihm die Augen zufielen, wusste er auch, was es war.
Er fühlte sich wohl!
Er mochte den Pyjama, den er anhatte, und den Duft des alten Mahagoniholzes. Er mochte das riesige Bett mit dem schweren dunkelroten Baldachin und das Kaminfeuer. Und er fühlte sich in diesem fremden Zimmer mehr zu Hause als an jedem anderen Ort.
Das
war es, was nicht stimmte.
»Wach auf, du Schlafmütze!« Jemand rüttelte ihn an der Schulter. Percy schlug die Augen auf und erblickte Claire, Linda und John. Das Licht einer Gaslaterne warf unheimliche Schatten auf ihre Gesichter. Einen besonders großen Schreck bekam er trotzdem nicht, irgendwie hatte er damit gerechnet, dass die drei mitten in der Nacht vor seinem Bett stehen würden.
»Wie spät ist es?«, fragte er und rieb sich die Augen.
»Gleich Mitternacht«, sagte Linda.
»Raus aus den Federn.« Claire riss ihm die Decke weg. Aufgescheucht sprang Jim vom Bett und wollte schon protestierend zu bellen beginnen, doch sie hielt ihm rasch das Maul
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