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Perdido - Das Amulett des Kartenmachers

Titel: Perdido - Das Amulett des Kartenmachers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rob Stevens
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Onkel Walter!«
    »Wofür denn?«, fragte Walter überrascht.
    »Dass du dich um mich kümmerst. Ich meine, äh, wenn ich krank bin und so.«
    Walter zauste seinem Neffen lächelnd die blonden Locken. »Bist ein braver Junge, Hugo«, sagte er und ging aus dem Zimmer.

    Noch vor Sonnenaufgang kletterte Hugo aus dem Bett, schloss geräuschlos das Arbeitszimmer auf und holte einen länglichen Kasten vom obersten Regalbrett. Den Kasten stellte er auf den Tisch und klappte den Deckel auf. Behutsam hob er Onkel Walters Davis-Quadranten heraus und rieb ihn mit einem weichen Tuch blank. Das Messinstrument bestand aus zwei Holzstäben, die so aneinander befestigt waren, dass sie ein ›V‹ bildeten, zwei gebogenen Messskalen, einem kleinen Schieber und einem Visier. Hugo wagte kaum zu atmen, als er das Gerät wieder in den Kasten legte und das Behältnis in seinen Tornister steckte. Anschließend suchte er Papier, Federn und Tinte, ein Messseil, etliche Seekarten und einen Kompass zusammen, außerdem ein Notizbuch und ein paar Stücke Zeichenkohle, und packte alles ein.
    Vor Onkel Walters Schlafzimmer blieb er stehen. Er hatte ein schlechtes Gewissen, weil er ihn im Stich ließ, und erwog flüchtig, hierzubleiben. Aber er wäre ja Ende des Jahres wieder da. Und dann wäre er ein ebenso erfahrener Entdecker wie sein Onkel und hätte endlich das Meer kennengelernt, das ihm den Vater genommen hatte. Hugo fasste nach der Schachfigur um seinen Hals und rezitierte leise: Hilfsbereit, Unerschrocken, Großherzig, Optimistisch.
    Er wollte endlich beweisen, dass sein Vater zu Recht an ihn geglaubt hatte, und zugleich Onkel Walter vorführen, was er alles gelernt hatte. Beide sollten sie stolz auf ihn sein.
    »Bis in einem halben Jahr, Onkel Walter!«, raunte er.

5. Kapitel
    P
unkt sieben Uhr früh meldete sich Hugo auf der El Tonto Perdido zur Stelle. Admiral Rupert Lilywhite zeigte ihm seine Kajüte, einen schlecht beleuchteten Raum unter dem erhöhten Deck im Bug des Schiffes. Dort gab es weder Fenster noch Möbel. In einer Ecke lagen muffige Decken aufgestapelt, die, wie Hugo annahm, der Mannschaft als Betten dienen sollten. Vor einer solchen Decke kniete ein Mann, der ihm den Rücken zuwandte.
    »Wie viele Seeleute sollen denn hier drin schlafen?«, erkundigte sich Hugo.
    »Jeweils so um die fünfzehn«, erwiderte Rupert lächelnd. »Hier habt ihr es bestimmt schön warm und gemütlich.«
    »Geht schon in Ordnung. Ich brauche ohnehin nicht viel Platz.«
    »Natürlich wirst du mit meinem Hauptkartografen zusammenarbeiten. Da gewöhnt ihr euch am besten gleich aneinander.«
    »Äh … wie bitte? Ich dachte, ich bin Ihr Kartograf!«
    »Der Bursche hier hat mich gestern noch auf dem Kai angesprochen, gleich nachdem wir beide uns unterhalten hatten. Er macht einen überaus erfahrenen Eindruck. Er behauptet, er hatfür … verflixt, wie hieß er doch gleich?« Rupert runzelte angestrengt die Stirn. »Ist ja auch schnurz, ich kann mir den Namen partout nicht merken, es war irgendeiner dieser ausländischen Seefahrer, der dies und das entdeckt hat. Jedenfalls hat er mich überredet, ihn anzuheuern. Damit hat sich deine Arbeitsplatzbeschreibung unwesentlich geändert.«
    »Soll das heißen, Sie haben mich degradiert?«
    »Ach, ›degradiert‹ ist so ein unschönes Wort!« Rupert grinste anzüglich. »Sagen wir doch lieber, ich habe dir einen anderen Posten zugewiesen.«
    Das passte Hugo ganz und gar nicht. »Ich finde das ungerecht«, maulte er und ärgerte sich, dass ihm keine erwachseneren Argumente einfallen wollten.
    Der Unbekannte in der Ecke war aufgestanden und kam zu ihnen herüber. »Es hat niemand behauptet, dass es auf See immer gerecht zugeht«, verteidigte sich Rupert.
    »Aber ich bin kein kleines Kind mehr und brauche kein Kindermädchen«, widersprach Hugo mit absichtlich tiefer Stimme. »Ich weiß alles, was es übers Kartenzeichnen zu wissen gibt. Mir braucht niemand zu sagen, wie ich meine Arbeit zu machen habe.«
    »Nimm’s nicht so schwer«, mischte sich der geheimnisvolle Unbekannte ein. »Halten wir es doch einfach so, dass ich der Kartograf bin und du mein Gehilfe.« Im Sprechen trat er noch einen Schritt näher und der Schein von Ruperts Laterne fiel auf sein Gesicht.
    Hugo traute seinen Augen nicht. »Onkel Walter?«
    Rupert war erfreut. »Ach, wie schön, ihr beide kennt euch! Das macht das Ganze doch gleich entschieden weniger unangenehm. An besten macht ihr die Sache einfach unter euch aus.«
    Hugo und Onkel

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