Perdido - Im Bann des Vampirjägers
sein böses Wesen gespürt habe, wusste ich sofort, dass er einer von seinen Helfershelfern ist. Er gehört zu ihnen.«
»Zu wem?«, fragte Herkules.
Kristall wandte bedächtig den Kopf. Ihr Blick wanderte zwischen Hugo und Herkules hin und her.
»Das wisst ihr nicht?«
Herkules verneinte, aber Hugo erwiderte: »Ich habe da so eine Ahnung.«
»Oje, kennen sich die Nager heutzutage denn gar nicht mehr mit den alten Märchen und Sagen aus?« Kristall sprang geräuschlos auf den Fußboden und trippelte zum Feuer hinüber. Als sie weitersprach, leuchteten ihre Augen wie Fackeln. »Mephisto hat es auf unschuldige Wanderer abgesehen, die ahnungslos sein Herrschaftsgebiet betreten. Der angebliche Priester in der Kirche war einst auch ein solcher Wanderer, aber nun wird er auf ewig von dem gleichen unstillbaren Blutdurst gequält wie der grausame Graf selbst.«
»Wenn du ›Blutdurst‹ sagst«, vergewisserte sich Herkules, »ist das doch wohl eher im übertragenen Sinne gemeint, nicht wahr?«
»Ich hab’s!«, rief Hugo aufgeregt dazwischen. »Ich weiß jetzt, wie es sich mit Mephisto verhält! Denk doch mal nach, Herkules. Wer hat kein Spiegelbild, meidet Knoblauch und besitzt einen unstillbaren Blutdurst?«
»Ich geb’s auf.«
»Komm schon, so schwer kann das doch nicht sein!« Hugo wartete ab, aber als keine Antwort kam, machte er sich daran, es seinem Freund zu erklären. »Also – Mephisto ist ein Vampir!« Stolz sah er zu Kristall hinüber. »Stimmt’s oder hab ich recht?«
Kristall blinzelte träge und antwortete: »Weder noch.«
»Ha!« Herkules stieß die geballte Pfote in die Luft.
Hugos triumphierendes Grinsen erlosch.
»Du hast nur teilweise recht, Hugo«, sagte Kristall. »Es ist alles noch viel, viel schlimmer. Mephisto ist tatsächlich der grausame Herrscher über alle Vampire, aber er selbst ist kein gewöhnlicher Vampir.«
» Gewöhnlich und Vampir «, wiederholte Herkules. »Zwei Wörter, die mir nicht recht zusammenzupassen scheinen.«
Hugo hatte so einen trockenen Mund, dass er kaum ein Wort herausbrachte. »Wenn er kein Vampir ist, was ist er dann?«
Kristall kniff die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen. »Ein Vampanter. Mephisto ist ein Vampanter.«
21. Kapitel
E
in Vampanter …«, wiederholte Hugo.
»Ist das ein … ein Vampir-Panter?«, fragte Herkules leise.
»Ganz genau. Ich will euch die Sage vom Vampanter gern erzählen, aber ich rate euch, näher ans Feuer heranzurücken, sonst gefriert euch das Blut in den Adern.«
Hugo zog sich einen Hocker heran und hielt das Gesicht an die Flammen, Herkules hatte sich in die Westentasche seines Freundes geflüchtet und streckte nur den Kopf heraus.
»Vor langer, langer Zeit lebte tief im indischen Dschungel ein prächtiger schwarzer Panter, vor dem nichts und niemand sicher war. Die Bewohner des nahe gelegenen Dorfes nannten ihn ›Jaidev‹, denn sie glaubten, er sei der wieder auferstandene indische Siegesgott. Viele mutige Männer machten sich auf, ihn zu erlegen, aber sie kamen allesamt dabei ums Leben. Der Panter war viel zu flink, um sich fangen zu lassen, und viel zu stark, als dass ihm jemand etwas anhaben konnte.
Eines Tages überfiel Jaidev eine Familie, die soeben von einer geweihten Wasserstelle ins Dorf zurückwanderte. Erst warf die Raubkatze den Vater zu Boden. Der Mann hatte sein Leben ausgehaucht, ehe er zur Waffe greifen konnte. Dann biss Jaidev die anderen Familienmitglieder tot. Nur ein kleiner Junge namens Vikram war noch am Leben.
Dem Jungen war klar, dass er mit seinen schwachen Kräften nichts gegen die Bestie ausrichten konnte. Aber er ließ den Mut nicht sinken und trat dem Panter tapfer entgegen.
Als die Raubkatze zusprang, ließ sich Vikram auf die Erde fallen und wälzte sich unter dem Tier weg. Es gelang Jaidev nicht, den Jungen zu packen, aber er verpasste ihm einen Tatzenhieb. Als Vikram wieder aufgestanden war, merkte er, dass er aus der Schulter blutete.
Der Panter sprang ihn abermals an, doch Vikram ergriff ein tönernes Gefäß, in dem seine Mutter geweihtes Wasser geholt hatte, und schüttete dem zuspringenden Raubtier das Wasser ins Gesicht. Jaidev konnte nichts mehr sehen und hielt schnaubend inne.
Der Junge nutzte die kurze Unterbrechung und bückte sich nach der Waffe seines Vaters, ein Schwert mit Granitknauf und breiter Klinge. Er sprang dem Panter auf den Rücken, rammte ihm die Klinge zwischen die Schulterblätter, traf das Herz und nagelte die Raubkatze am Erdboden fest. Jaidev
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