Perdido - Im Bann des Vampirjägers
»Jetzt gilt es Mann gegen Mann.«
Der Bandit verlor keine Zeit, wendete sein Pferd und galoppierte die Anhöhe wieder hinauf, so schnell ihn die Hufe seines Reittiers trugen.
»Angsthase!«, rief ihm Hugo nach.
»Ich will ja nicht kleinlich erscheinen«, sagte Herkules, »aber ich glaube, er reitet auf einem Pferd.«
Hugo warf Karamell das Zuggeschirr über. »Lass uns lieber hier verschwinden. Womöglich kommen sie zurück, wenn sie wieder zusammengefunden haben. Ist dir übrigens einer der Banditen bekannt vorgekommen?«
Herkules grinste breit. »Was denkst du denn! Diese Augen würde ich überall erkennen.«
Hugo nickte eifrig.
»Ich weiß nicht, ob es dir auch aufgefallen ist«, plapperte Herkules weiter, »aber der kleine Dicke war dem Fischhändler neulich auf dem Markt wie aus dem Gesicht geschnitten.«
Hugo stutzte. »Dem Fischhändler auf dem Markt?«
»Hm. Aber mal ehrlich …«, Herkules kletterte auf Hugos Schulter und sah seinem Freund tief in die Augen, »… ich hätte gedacht, dass du dich eher für den Banditen interessierst, der ganz klar Onkel Walter war.«
»He, das ist nicht witzig!«, erwiderte Hugo lachend. »Und ich dachte schon, ich sehe allmählich Gespenster.«
»Mitnichten!«, erwiderte Herkules entschieden. »Onkel Walter ist am Leben und unversehrt und sitzt auf einem durchgegangenen Pferd. Weit kann er nicht sein. Obwohl … sein Gaul hatte ein ganz schönes Tempo drauf.«
Hugo fiel das Herz in die Hose. »Willst du damit sagen, dass wir ihn nicht mehr einholen können?«
»Quatsch! Wenn sich Walters Pferd wieder eingekriegt hat, brauchen die Banditen mindestens einen halben Tag, bis alle wieder beisammen sind, und wir wissen jetzt wenigstens, dass wir auf der richtigen Fährte sind. Wir holen sie schon noch ein … ganz bestimmt.«
Hugo warf einen Blick auf die Karte, die neben ihm auf dem Kutschbock lag. Bis Dämonien waren es schätzungsweise noch hundert Meilen. Wenn sich ihnen keine unüberwindlichen Schwierigkeiten in den Weg stellten und sie auch nicht von anderen Banditen überfallen wurden, müssten sie in drei, vier Tagen in Lovdiv sein. Und wenn sie Onkel Walter bis dahin nicht eingeholt hatten, mussten sie sich eben allein auf die Suche nach Mephistos Schloss machen.
»Hoffentlich hast du recht«, sagte er leise.
»Klar hab ich recht«, erwiderte Herkules. »Ich hab immer recht!«
19. Kapitel
A
ls Hugos und Herkules’ Karren in die Ortschaft Lovdiv rumpelte, spähten nur einige Sterne hinter den tief hängenden Wolkenfetzen hervor. Sogar Karamell schien die Anspannung der beiden zu spüren und wechselte von seinem Zuckeltrab zu einem schleppenden Schritttempo.
Die kleinen Häuser waren ohne ersichtliche Ordnung über die Hügelflanke verstreut, als hätte ein Riese seine Spielzeugkiste ausgekippt. Als Hugo sich der Ortschaft näherte, hatte er irgendwo Wasser rauschen hören. Das musste der Fluss sein, der die Grenze zu Dämonien bildete. Über den niedrigen Schindeldächern erblickte er die Spitze eines schlichten Kirchturms.
»Das muss die Kirche von Onkel Walters Karte sein«, raunte er Herkules zu. »Da fahren wir jetzt hin.«
Herkules saß mit aufgestellten Ohren auf dem Kutschbock. »Ich find’s hier unheimlich. Es ist viel zu ruhig. Oder hörst du was? Es ist totenstill, und das kommt mir verdächtig vor. Nirgendwo brennt Licht, man hört keinen Laut – da stimmt doch was nicht! Gruselig ist es hier – ja, richtig gruselig! Hörst du nicht, wie ohrenbetäubend still es ist?«
»Ich höre nur, dass du mir die Ohren vollquasselst«, gab Hugo im Flüsterton zurück. Ein eisiger Schauer überlief ihn, und er kniff den Mund zu, weil ihm die Zähne klapperten. »Aber ich gebe zu,dass es hier ein bisschen unheimlich ist … wie in einer Geisterstadt.«
Hugo brachte Karamell vor der Kirche zum Stehen und band die Zügel um einen Baum. Herkules sprang auf Hugos Schulter und die beiden Freunde betrachteten das Gebäude. Die Kirche war ein schlichter rechteckiger Kasten mit einem niedrigen quadratischen Turm am einen Ende.
»Nicht besonders eindrucksvoll«, meinte Herkules.
»Stimmt. Trotzdem bin ich sicher, dass uns Onkel Walter mit dem Schach-König auf diese Kirche hinweisen wollte.«
»Na schön, wir sollten also hierher kommen. Aber wozu?«
Hugo gab sich einen Ruck. »Um das herauszufinden, müssen wir wohl hineingehen.«
Die Flügeltür der Kirche war von außen mit einem dicken Balken verrammelt, der in eisernen Halterungen ruhte. Hugo
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