Perdido - Im Bann des Vampirjägers
anders als mein Vater, immerhin noch am Leben ist. ›Wir beide haben es ja so gut, Hugo‹, hat er immer gesagt. ›Es gibt viele Leute, die liebend gern mit uns tauschen würden. Allein denen sind wir es schuldig, den Kopf nicht hängen zu lassen.‹«
»Glaubst du, er hat dir den Anhänger als Abschiedsgeschenk hinterlassen?«, fragte Herkules.
Erst zuckte Hugo die Achseln, dann nickte er. »Wahrscheinlich.« Er wischte sich mit dem Handrücken die Tränen aus dem Gesicht.
Da machte Kristall auf einmal einen Buckel und sträubte das Fell. »Ich spüre, dass Mephisto nicht weit ist.«
»Und ich spüre, dass du lieber keinen Blödsinn reden solltest«, konterte Herkules.
»Seid friedlich, ihr beid…« Ein gellender Schrei schnitt Hugo das Wort ab. Er kam aus der Schlucht, zu der Otis den kleinen Jake geschleift hatte. Der Schrei ließ ihnen das Blut in den Adern gefrieren und sie konnten sich vor Entsetzen nicht von der Stelle rühren. Aber es war nicht der Ausdruck äußerster Todesangst, der sie so verstörte, sondern die – schon einmal gehörten – Worte: »ZU HILFE! EIN VAMPIR!«
43. Kapitel
D
er Bandit lag leblos auf dem Rücken. Sein aschfahles Gesicht war in einer Angstgrimasse erstarrt, unter seinem Kopf breitete sich eine große dunkelrote Blutpfütze aus.
Ein Stück weiter weg stand Otis. Er hatte seinen Säbel in der Hand, atmete schwer und hielt den Blick auf die Schlucht geheftet.
»Was war denn hier los, Otis?«, fragte Hugo entsetzt.
Otis fuhr herum und holte mit der Waffe aus, ließ sie aber sinken, als er Hugo erkannte.
»Ich wollte den Banditen eben an den Felsblock da drüben fesseln, da standen auf einmal drei Vampire hinter uns.« Otis warf einen Blick über die Schulter. »Sie stürzten sich sofort auf uns. Jeder einzelne war so stark und bösartig wie der Vampanter persönlich. Natürlich habe ich wie ein Löwe gekämpft und konnte auch einem Vampir den Kopf abschlagen, aber das nutzte der andere aus, um den Banditen abzuschlachten.«
»Sie meinen: ›die beiden anderen‹«, berichtigte ihn Lupus.
»Wie bitte?«
»Sie haben eben gesagt, dass es drei Vampire waren«, erläuterte Hugo. »Einen haben Sie getötet, demnach haben sich die beiden anderen auf den Banditen gestürzt.«
»Richtig, richtig. Ich habe mich nur versprochen. Es ging allesso schnell, dass ich noch ganz durcheinander bin. Jedenfalls konnte ich die blutige Tat nicht verhindern.«
»Und wo ist er?« Hugo spähte über Otis’ Schulter. »Ich meine, der Vampir, dem Sie den Kopf abgeschlagen haben.«
»Ein getöteter Vampir löst sich, wie auch seine Opfer, im Handumdrehen in Luft auf.« Otis hatte seinen Schal so ins Gesicht gezogen, dass nur noch seine Augen herausschauten.
»Guckt mal!«, rief Herkules aufgeregt. »Der Bandit löst sich auch auf!«
Vor ihren Augen verflüchtigte sich der Leichnam des kleinen Jake. Seine Kleider zerfielen, sein Körper schrumpfte und zerbröselte zu einer Art Asche, bis nur noch sein Gerippe übrig war. Dann zerfielen auch die Knochen zu einem feinen Pulver, das vom Schnee aufgesogen wurde.
»Weg ist er«, stellte Lupus fest. Eins seiner spitzen rosa Ohren lugte vorwitzig aus der Haarmähne, aber er schien es nicht zu merken.
»Nein, er ist nicht weg, sondern hat sich in Mephistos Verliesen zu Walter und den anderen Mezzaghulen gesellt«, stellte Otis richtig.
Hugo begriff, dass es seinem Onkel genauso ergangen sein musste. Ihn packte eine unbändige Wut.
»Wir müssen das Schloss finden!«, sagte er zum Äußersten entschlossen. »Es kann nicht mehr weit sein.«
Sie gingen wieder zu dem zugefrorenen See zurück. »Aber wo sollen wir suchen, wenn uns Onkel Walter keine Hinweise mehr hinterlassen kann … oder etwa doch?«
Die anderen sahen sich um, Hugo aber faltete Marcellos Karte auf.
»Vielleicht ist der kleine Silberdolch ja doch kein Abschiedsgeschenk«, sagte er halblaut und schloss die Faust um das Schmuckstück. »Vielleicht ist es der nächste Hinweis. Der Bandit hat gesagt, Onkel Walter hätte die Kette abgenommen, statt sich gegen denVampir zu wehren … das muss etwas zu bedeuten haben! Aber was?«
»Für gewöhnlich benutzen Vampirjäger silberne Waffen«, warf Otis ein. »Wollte dir dein Onkel vielleicht mitteilen, dass du ab hier dein Schwert stets gezückt halten sollst?«
Hugo schüttelte den Kopf. »Das weiß ich auch so, das braucht er mir nicht mitzuteilen.«
»Oder der Dolch zeigte in die Richtung, in der wir weitergehen sollten«,
Weitere Kostenlose Bücher