Perdido - Im Bann des Vampirjägers
dann zu erklären, dass zwei leere Bierkrüge auf dem Tisch standen?« Hugo öffnete seinen Tornister. »Und wie kam das hier in Ihr Zimmer?« Hugo schwenkte einen braunen Lederhandschuh. »Der Handschuh gehört meinem Onkel. Er muss ihm an jenem Morgen aus der Tasche gefallen sein, als er Sie aufgesucht hat.«
Otis stotterte etwas Unverständliches.
Hugo ließ sich nicht beirren. »Onkel Walter hat Sie sehr wohl aufgesucht. Warum haben Sie mich angelogen? Ist mein Onkel vielleicht zu Ihnen gekommen, wollte Ihnen aber doch nicht erzählen, was er anhand von Marcellos Karte herausgefunden hatte? Hatte er vielleicht einen Grund, Ihnen zu misstrauen?«
Otis winkte lachend ab. »Das ist doch Zeitverschwendung. Gib mir endlich das Schwert. Wenn die Sache erledigt ist, will ich deine kindischen Fragen gern beantworten.«
Hugo trat beklommen von einem Fuß auf den anderen. Otis rückte wieder ein Stück näher.
»Mir wäre es lieber, Sie würden meine Fragen jetzt sofort beantworten!« Abermals überlief es Hugo so eiskalt, dass er schlotterte.
»Du bist ganz schön unverschämt!«, lautete Otis’ Erwiderung. »So lasse ich mich nicht behandeln. Du begehst gerade einen kolossalen Fehler. Wahrscheinlich hast du dich seinerzeit im Gasthof geirrt und im falschen Zimmer nachgesehen.«
»Ich habe mich nicht geirrt.« Hugo wühlte noch einmal in seinem Tornister und förderte ein Blatt Papier zutage. »Die Seite hier habe ich aus dem Gästebuch des Seebären rausgerissen. Mit Ihrer Unterschrift bestätigen Sie, dass Sie in Zimmer drei wohnen, und eben dort habe ich auch nachgesehen.«
Hugo warf noch einmal einen Blick auf Otis’ Unterschrift.
Auf einmal wurde sein Mund ganz trocken und das Herz schlug ihm bis zum Hals.
»Gib mir das Schwert!«, wiederholte Otis unbeirrt.
»Was soll das alles eigentlich?«, wollte Herkules wissen.
»Geht’s dir nicht gut, Hugo?«, fragte Kristall. »Du bist so bleich, als hättest du ein Gespenst gesehen.«
In Hugos Kopf ging es drunter und drüber. Ihm fiel wieder ein, dass er damals einen eisigen Luftzug gespürt hatte, als Otis in Walters Haus eingetreten war. Den gleichen Eiseshauch hatte er verspürt, als Otis im Gebirge wieder zu ihnen gestoßen war. Was hatte Otis von Mephistos Überfall auf seine ganze Familie erzählt? Nicht einmal meinen Hund hat er verschont.
Hugo blickte wieder auf das Blatt.
Er holte mühsam Luft. Ihm war übel, aber er blieb aufrecht stehen und sah Otis in die Augen. »Sie wurden damals in Skandinavien gar nicht überfallen, stimmt’s? Sie selber haben den Pflanzenkundler auf dem Gewissen, und den Banditen in der Schlucht haben Sie auch umgebracht.«
»Was redest du da, Hugo?«, raunte Herkules erschrocken.
»Und die armen Einwohner von Lovdiv! Ihr angeblicher Beruf als Vampirjäger war eine ideale Tarnung. Und Ihre Frau und Ihr Kind? Sie haben unser Mitgefühl geweckt, weil die beiden tot sind, dabei haben Sie sie eigenhändig ermordet!«
Otis schwieg.
»Los, verraten Sie mir, woher ihre Armverletzung kommt. Warum ist Ihr Gesicht so zerschunden? Hat Sie zufällig jemand in einen Abgrund gestoßen?«
»Ich kapiere überhaupt nichts mehr, Hugo«, beschwerte sich Kristall.Hugo betrachtete Otis’ Unterschrift noch einmal.
»Doch, es stimmt. Otis … Otis Otis Phem … ist Mephisto!«, stieß er hervor.
50. Kapitel
K
ristalls Blick wanderte zwischen Hugo und Otis hin und her. Ihre bernsteinfarbenen Augen wurden immer schmaler.
»Was redest du da für einen Unsinn, Hugo?«, sagte sie. »Otis ist damals nach Lovdiv gekommen, um uns vor dem Vampanter zu schützen, der die Dorfbewohner einen nach dem anderen abschlachtete. Bei jedem Vampirüberfall war Otis als Erster am Ort des Geschehens und sah sich nach Spuren um, um das Ungeheuer zu verfolgen und zur Strecke zu bringen.«
»Das glaube ich gern.« Hugos Miene verfinsterte sich und er sah Otis unverwandt an. »Aber ist er auch wirklich erst nach dem Verschwinden des Vampanters erschienen oder war er vielleicht schon vorher da? Schließlich ist der Verbrecher immer der Allererste am Schauplatz eines Verbrechens.«
»Du meinst, Otis selbst hat die Dorfbewohner …«
»Die Ärmsten dachten, Otis wolle sie beschützen, dabei hat er nur auf eine günstige Gelegenheit gewartet zuzuschlagen.«
Jetzt hielt Kristall erschrocken die Luft an. »Wisst ihr noch, dass ich beim Hellsehen einmal von einem Fremden gesprochen habe, der Not und Elend mit sich bringt?«
»Stimmt, ich
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