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Perdido Street Station 01 - Die Falter

Perdido Street Station 01 - Die Falter

Titel: Perdido Street Station 01 - Die Falter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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kenne eure Geschichtsbücher, Grimnebulin. Krieg hinterlässt immer – Spuren …«
    Während er sprach, stand Isaac auf, ging zu seinen unaufgeräumten Regalen und suchte zwischen den aufgestapelten Büchern. Er kam mit einem schmalen, fest gebundenen Bildband im Folioformat zurück, schlug ihn auf und hielt ihn Yagharek hin.
    »Dies«, erklärte er in eindringlichem Ton, »ist eine Sammlung von Heliotypen, die vor ungefähr einhundert Jahren gemacht wurden. Diese Helios haben großen Anteil daran, dass man in New Crobuzon aufhörte, mit Torques-Energie zu experimentieren.«
    Langsam streckte Yagharek die Hand aus und wendete eine Seite um. Er schwieg.
    »Sie entstanden bei einer geheimen Erkundungsmission, um die Auswirkungen des Krieges damals zu dokumentieren«, fuhr Isaac fort. »Eine kleine Abteilung Militärs, ein paar Wissenschaftler sowie ein Heliotypist flogen in einem Aufklärungs-Luftschiff die Küste hinauf und machten Luftaufnahmen. Dann wurden ein paar von ihnen in die Ruinen von Suroch hinuntergelassen, um die Verwüstungen aus der Nähe zu dokumentieren.
    Sacramundi, der Heliotypist, war dermaßen – entsetzt, dass er auf eigene Kosten fünfhundert Exemplare der Dokumentation drucken ließ und gratis an den Buchhandel verteilte. Überging Bürgermeister und Parlament und legte sie für die Öffentlichkeit aus … Bürgermeister Turgisadi tobte, doch er konnte nichts tun.
    Es gab Demonstrationen, schließlich der Sacramundi-Aufstände von ’89. Heutzutage so gut wie vergessen, aber sie hätten fast den Sturz der Regierung herbeigeführt. Einige der großen Konzerne, die das Torques-Projekt finanzieren halfen – maßgebend war übrigens Penton’s, denen heute noch die Arrowhead-Minen gehören – bekamen es mit der Angst zu tun und zogen ihre Gelder zurück, und damit war die Sache gestorben.
    Dies hier, Yag, mein Sohn«, Isaac pochte auf das Buch, »ist der Grund, weshalb wir uns hüten werden, den Torques zu benutzen.«
    Yagharek blätterte sich Seite um Seite durch sepiafarbene Impressionen der Verwüstung.
    »Aha …« Isaac legte den Finger auf ein bedrückendes Stillleben aus Glasschutt und verkohltem Holz. Das Bild war aus geringer Höhe aufgenommen worden. Einige wenige der größeren Brocken auf der riesigen, wie mit dem Zirkel gezogenen Ebene sahen aus, als handelte es sich um die verstreuten Trümmer von ungewöhnlichen, tordierten Objekten.
    »Da sieht man, was vom Zentrum der Stadt übrig geblieben ist. Dort haben sie 1545 die Farbenbombe abgeworfen. Angeblich, um die Piratenkriege zu beenden. Aber ganz im Vertrauen, Yag, die waren schon seit einem Jahr zu Ende, seit New Crobuzon Suroch mit Torques-Bomben beworfen hatte. Die Farbenbomben ein Jahr später sollten vertuschen, was sie getan hatten – nur fiel eine ins Meer und zwei explodierten nicht, und mit der letzten, die noch übrig war, konnten sie nur das Zentrum auf eine Viertelmeile in die Runde korrigieren. Diese Trümmer da …« Isaac zeigte auf niedrige Schuttwälle am Perimeter des Kreises, »dahinter sind die Ruinen geblieben wie sie waren. An ihnen kann man die Wirkung der Torques-Bomben erkennen.«
    Er gab das Zeichen umzublättern. Yagharek tat es, und tief in seiner Kehle entstand ein glucksender Laut. Isaac nahm an, es war das Garuda-Äquivalent eines scharfen Atemzugs. Isaac warf selbst einen kurzen Blick auf das Bild und schaute erst dann – nicht zu schnell, lass ihm Zeit, sich zufassen – in Yaghareks Gesicht.
    »Diese Objekte im Hintergrund, die aussehen wie geschmolzene Statuen, waren einmal Wohnhäuser«, erklärte er in sachlichem Tonfall. »Das, was du grade anschaust, ist, soweit sie es bestimmen konnten, eine Mutation der gewöhnlichen Milchziege, anscheinend wurden sie in Suroch als Haustiere gehalten. Dies Exemplar könnte zweite, zehnte, vielleicht zwanzigste Post-Torques-Generation sein. Wir wissen nicht, wie lange sie leben.«
    Yagharek starrte auf die tote Kreatur auf der Heliotypie.
    »Sie mussten es erschießen, heißt es im Begleittext«, sprach Isaac weiter. »Es hat zwei der Soldaten erledigt. Sie versuchten, es zu obduzieren, aber die Hörner in seinem Bauch waren nicht tot wie der übrige Kadaver. Sie wehrten sich und hätten um ein Haar die Biologin getötet. Siehst du den Panzer? Da sind merkwürdige Wucherungen im Gange, fast wie Selbstheilungsprozesse.« Yagharek nickte langsam.
    »Nächste Seite, Yag. Das hier – keiner hat den leisesten Schimmer, was es ursprünglich gewesen sein mag.

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