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Perdido Street Station 01 - Die Falter

Perdido Street Station 01 - Die Falter

Titel: Perdido Street Station 01 - Die Falter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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Möglicherweise spontan entstanden während der Torques-Explosion. Aber ich persönlich glaube, diese Zahnräder stammen von einer Eisenbahnlok.« Er tippte mit dem Finger auf die Seiten. »Das, wenn man so will, Beste kommt noch. Du hast den Kakerlakenbaum noch nicht gesehen, oder die Horden von Monstrositäten, die einmal Menschen gewesen sein könnten.«
    Yagharek ersparte sich nichts. Er betrachtete jede einzelne Seite. Hastig hinter Mauern hervor gemachte Schnappschüsse, schwindelerregende Luftaufnahmen. Ein sich Blatt für Blatt zusammensetzendes Panorama der Mutation, der Gewalt und der Kleinkriege, geführt von unbeschreiblichen Missgestalten über Niemandsland aus wandernder Schlacke und albtraumhaft entstellter Architektur.
    »Der Erkundungstrupp bestand aus zwanzig Mann Militär, Sacramundi und drei Wissenschaftlern plus ein paar Ingenieuren, die die ganze Zeit an Bord blieben. Sieben Soldaten, Sacramundi als Heliotypist und eine Chymikerin unternahmen eine Exkursion durch Suroch. Einige trugen Torques-Schäden davon. Als das Luftschiff wieder in New Crobuzon landete, war ein Soldat gestorben. Ein anderer hatte stachlige Tentakel anstelle der Augen, und allnächtlich verschwanden Stücke aus dem Körper der Wissenschaftlerin. Kein Blut, keine Schmerzen, nur glatte Löcher in ihrem Bauch oder Arm oder sonst wo. Sie beging Selbstmord.«
    Isaac erinnerte sich daran, wie er die Geschichte zum ersten Mal gehört hatte, in Form einer Anekdote von einem unorthodoxen Geschichtsprofessor. Neugierig geworden, verfolgte er eine Spur aus Fußnoten und alten Zeitungen. Die historischen Fakten waren in Vergessenheit geraten, in volkstümlicher Version dienten die Geschichten zur moralischen Erpressung der lieben Kleinen: »Wenn du nicht artig bist, kommst du nach Suroch, wo die Monster sind!« Anderthalb Jahre dauerte es, bevor Isaac eine Ausgabe von Sacramundis Fotodokumentation zu sehen bekam, und weitere drei Jahre, bis er den Preis bezahlen konnte, der dafür verlangt wurde.
    Er glaubte, einige der Gedanken erraten zu können, die hinter Yaghareks unbewegter Physiognomie kursierten. Es waren die gleichen Ideen, die jeder fantasievolle Studienanfänger einmal gehegt hatte.
    »Yag«, sagte er beschwörend, »wir werden den Torques nicht benutzen. Vielleicht denkst du, dass man schließlich immer noch Hämmer benutzt, obwohl es vorkommt, dass Leute damit erschlagen werden. Stimmt’s? Oder dass Flüsse über die Ufer treten und Tausenden den Tod bringen, aber sie treiben auch Turbinen an. Ja? Vertrau mir, ich spreche als jemand, der den Torques einmal für wahnsinnig interessant gehalten hat – er ist kein Werkzeug. Er ist kein Hammer, er ist nicht wie Wasser. Er ist – der Torques ist rohe Energie. Damit wir uns recht verstehen, die Rede ist hier nicht von Krisisenergie. Krisisenergie ist die Basis der gesamten Physik. Der Torques jedoch hat nichts mit Physik zu tun. Er ist eine absolut pathologische Erscheinung. Wir wissen nicht, woher er kommt, warum er auftritt, wohin er zieht. Es gibt keine Regeln, keine Gesetzmäßigkeiten. Man kann ihn nicht eigenen Zwecken unterwerfen – klar, man kann es versuchen, aber du hast gesehen, was dabei herauskommt –, du kannst nicht damit spielen, du kannst ihm nicht trauen, du kannst ihn nicht verstehen, und du kannst ihn schon gar nicht beherrschen.«
    Isaac schüttelte heftig den Kopf. »Natürlich, man hat Experimente durchgeführt, ein paar Klugscheißer bildeten sich ein, sie hätten Methoden entwickelt, um einige Effekte abzuschwächen, andere zu verstärken. Manches von dem, was sie austüftelten, funktionierte sogar mehr oder weniger. Doch es gab kein Torques-Experiment, kein einziges, das nicht mit Heulen und Zähneklappern geendet hätte, mindestens. Nach meiner persönlichen Meinung gibt es nur ein Experiment, das wir mit dem Torques anstellen sollten – und zwar, was man tun kann, um nicht von ihm erwischt zu werden. Entweder ihm Einhalt gebieten oder laufen wie Libintos mit den Drakars auf den Fersen.
    Vor fünfhundert Jahren, einige Zeit nach der Entstehung des Malakornukopischen Flecks, wurde New Crobuzon von einem schwächeren Torques-Sturm getroffen, der vom Meer her kam, aus Nordosten.« Isaac schüttelte den Kopf. »Nichts in der Größenordnung von Suroch, doch ausreichend für eine Welle von schrecklichen Missgeburten und einige sehr merkwürdige Scherze in puncto Topografie. Sämtliche betroffenen Gebäude wurden auf der Stelle abgerissen. Sehr

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