Perdido Street Station 01 - Die Falter
Weltenschoß, oder, nach anderer Auslegung, zugleich mit ihnen oder sogar als Erstgeborener. Er ist der …« Er suchte angestrengt nach einer Übersetzung. »Der Dunkle Dritte. Sein Name bedeutet: ›Die Macht, der man nicht trauen kann‹.«
Yagharek berichtete nicht im skandierenden Tonfall eines Schamanen, sondern nüchtern wie ein Fremdvölkerkundler. Er öffnete den Schnabel, klappte ihn zu und wieder auf.
»Ich bin ein Ausgestoßener, ein Renegat«, fuhr er mit sichtlicher Überwindung fort, »also verwundert es vielleicht nicht, dass ich mich von den Traditionen meines Volkes abkehre … Doch ich muss lernen, wann es geraten ist, mich ihnen wieder zuzuwenden. Lajhni heißt ›vertrauen‹ und ›bändigen‹. Dem Torques kann man nicht vertrauen, noch kann man ihn bändigen. Er ist unbeherrschbar. Ich weiß es, seit ich zum ersten Mal von ihm berichten hörte. Doch in meiner – ich bin ungeduldig, Grimnebulin. Vielleicht greife ich zu rasch nach Dingen, vor denen ich früher zurückgeschreckt wäre. Es ist schwer, zwischen zwei Welten zu stehen, keiner zugehörig. Doch du hast mich ermahnt, mich an etwas erinnert, was ich immer gewusst habe. Als wärst du ein Älterer meiner Sippe.« Eine lange, lange Pause. »Ich danke dir.«
Isaac nickte langsam. »Keine Ursache, wirklich. Ich bin – mächtig erleichtert, das zu hören, Yag. Mehr als ich sagen kann. Schwamm drüber.« Er hüstelte und tippte auf den Plan. »Ich habe ein paar faszinierende Sachen hier, die du dir anschauen solltest.«
In dem staubdurchtanzten Licht unter Isaacs Empore stocherte der Mechaniker von Orriabens Konstrukte mit Schraubenzieher und Lötkolben in den Eingeweiden der streikenden Reinigungsmaschine, dabei pfiff er geistesabwesend vor sich hin.
Das Geräusch der Unterhaltung oben erreichte ihn als an- und abschwellendes, sonores Gemurmel, mitunter punktiert von einer lauteren, raueren Zwischenbemerkung. Er schaute kurz auf, erstaunt über diese letztere Stimme, wandte sich aber gleich wieder seiner Arbeit zu.
Eine kurze Überprüfung der Mechanismen und der internen Analyseeinheit des Faktotums bestätigte die erste Diagnose. Abgesehen von den üblichen altersbedingten Malaisen wie Gelenkverschleiß, Rost und abgenutzten Borsten – Bagatellen, die der Mechaniker en passant reparierte – hatte das Konstrukt sich mit einem Virus infiziert. Eine fehlerhafte Lochkarte oder ein ausgeleiertes Relais tief in dem dampfbetriebenen ›Gehirn‹ hatte bewirkt, dass ein Satz von Instruktionen sich in einer Endlosschleife unablässig wiederholte. Statt Routineaktivitäten spontan auszuführen, hatte das Konstrukt angefangen, darüber nachzugrübeln; versuchte, weitere Informationen zu bekommen oder ausführlichere Anweisungen. Der daraus resultierende Konflikt und die Datenflut setzten es außer Gefecht.
Der Mechaniker hob den Blick zu dem Holzfußboden über ihm. Man schenkte ihm keine Beachtung.
Sein Herz tat ein paar aufgeregte Schläge. Viren traten in unterschiedlichster Form auf. Einige paralysierten die betreffende Maschine. Andere veranlassten den Mechanismus, verrückte, sinnlose Tätigkeiten auszuführen, als Ergebnis einer veränderten Interpretation gewöhnlicher Informationen. Wieder andere, von denen dieser hier ein perfekter, ein wunderschöner Vertreter war, lähmten ihre Wirte, indem sie sie zwangen, ihre grundlegenden Verhaltensmuster wieder und wieder zu überprüfen.
Sie begannen nachzudenken. Der Ursprung eines Bewusstseins.
Der Mechaniker nahm einen Packen Lochkarten aus seinem Kasten und fächerte sie mit einer geübten Bewegung auseinander. Er raunte ein Gebet, dann machte er sich mit flinken Fingern daran, diverse Röhren und Skalen im Kern des Konstrukts auszubauen. Er hebelte die Abdeckung über dem Eingabeschlitz für die Programmierungskarten auf. Er kontrollierte, ob der Generator genügend Druck hatte, um den Verarbeitungsmechanismus des metallenen Gehirns zu betreiben. Neu eingegebene Programme wurden in das Gedächtnis geladen und quer durch sämtliche Rechnereinheiten aktiviert, sobald man das Konstrukt einschaltete. Eilig schob er eine Karte in den Schlitz, und die nächste und die nächste. Er fühlte, wie die federgelagerten Zähne an dem steifen Karton entlangrotierten und in die kleinen Löcher schnappten, aus denen sich Instruktionen oder Informationen ergaben. Nach jeder Karte machte er eine Pause, um sicherzustellen, dass die Daten korrekt geladen wurden.
Er mischte sein kleines Deck wie
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