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Perdido Street Station 01 - Die Falter

Perdido Street Station 01 - Die Falter

Titel: Perdido Street Station 01 - Die Falter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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ein Kartenhai. Die minimalen Rucke der analytischen Einheit übertrugen sich auf die Fingerspitzen seiner linken Hand: fehlerhafte Lochung, schadhafte Zähne, schlecht geölte bewegliche Teile, die seine Programme verfälschten oder blockierten – er hätte es gespürt. Doch es gab keinerlei Ungleichmäßigkeiten. Der Mann konnte sich ein triumphierendes Grinsen nicht verkneifen. Der Virus dieses Faktotums war einzig das Resultat von Informationsfeedback und nicht durch einen Fehler der Mechanik bedingt. Er konnte sich darauf verlassen, dass die Karten, mit denen er die Maschine fütterte, alle gelesen und ihre Daten in das ausgeklügelte Dampfmaschinenhirn geladen wurden.
    Nachdem er die letzte Karte wieder herausgezogen hatte, drückte er einige der Zifferntasten, die mit der Analyseeinheit der Reinigungsmaschine verbunden war, hob die Abdeckplatte auf und befestigte sie mit neuen Schrauben. Er legte die Hände einen Moment wie beschwörend auf den reglosen Körper des Konstrukts, dann wuchtete er es hoch und stellte es auf die Gehwerkzeuge. Er sammelte sein Werkzeug ein.
    Den Kasten geschultert, trat er rückwärts in die Mitte des Raums.
    »’tschuldigung, Meister«, rief er nach oben.
    Nach einem Augenblick Stille antwortete Isaacs Stimme: »Ja?«
    »Ich wäre dann fertig. Die Schwierigkeiten sollten behoben sein. Wenn Sie Mr. Serachin nur ausrichten, er soll einen Happen Koks einwerfen und die alte Büchse dann wieder anschalten. Freunde fürs Leben, diese EKBs.«
    »Mag wohl sein.« Isaac erschien am Geländer. »Muss ich sonst noch etwas wissen?«, fragte er ungeduldig.
    »Nö, das war schon alles. Wir schicken Mr. Serachin die Rechnung zu. Also, bis demnächst.«
    »Okay, Wiedersehen. Und vielen Dank.«
    »Nicht der Rede wert, Sir …« Doch Isaac hatte sich schon abgewandt und war nicht mehr zu sehen.
    Der Mechaniker ging langsam zur Tür. Er machte sie auf, zögerte und blickte zurück zu dem Faktotum, das still und stumm am hinteren Ende des riesigen Raums im Schatten stand. Seine Augen flogen zur Empore, um zu sehen, ob Isaac ihm nicht heimlich nachschaute, dann zeichnete er mit der freien Hand ein Symbol in die Luft, das aussah wie zwei miteinander verbundene Kreise.
    »Virus gedeihe!«, flüsterte er und trat in die warme Mittagssonne hinaus.

 
KAPITEL 20
     
     
    »Was soll das darstellen?«, fragte Yagharek. Er hielt das Diagramm hoch und musterte es mit bestürzend vogelähnlich schief gelegtem Kopf.
    Isaac nahm das Blatt und drückte es ihm richtig herum wieder in die Hand.
    »Das, alter Knabe, ist ein Krisiskonduktor«, verkündete er großartig. »Oder wenigstens der Prototyp eines solchen. Ein Triumph angewandter Krisisphysikophilosophie.«
    »Was ist das? Was tut es?«
    »Sieh her. Was immer man – anzapfen möchte, kommt hier hinein.« Er zeigte auf ein Gekritzel, das mit viel gutem Willen eine Glasglocke darstellen konnte. »Dann … Also der wissenschaftliche Hintergrund ist ziemlich vertrackt, lass mich überlegen.« Er trommelte mit den Fingern auf die Tischplatte. »Hm. Dieser Kessel hier wird gehörig eingeheizt und der Dampf betreibt einen Komplex interagierender Mechanismen – hier. Sensorisches Gerät, das unterschiedliche Energiefelder identifizieren kann – thermisch, elyktrostatisch, potenziell, thaumaturgische Ausstrahlungen – und sie mathematisch darstellt. Falls ich mit meiner Feldtheorie Recht habe, und das habe ich, dann sind all diese Energieformen Manifestationen von Krisisenergie. Folglich besteht die Aufgabe dieses Resümators darin, aus den gegebenen Feldern zu folgern, welche Art von Krisis angenommen werden kann …« Isaac kratzte sich am Kopf.
    »Verflixt knifflige Krisismathematik, alter Knabe. Das wird, glaube ich, das schwerste Stück Arbeit sein. Was mir vorschwebt, ist ein Programm, das sagen kann: ›Also, wir haben soundsoviel Prozent potenzielle Energie, soundsoviel thaumaturgische und so weiter, und das heißt, die auslösende Krisissituation muss dieser beziehungsweise jener Art sein.‹ Sie soll das – äh – Mundane in die Krisisform übertragen. Dann – und das ist ein weiterer kitzliger Punkt – muss der jeweilige Effekt, auf den man es abgesehen hat, mathematisch dargestellt werden, in eine Krisisformel umgesetzt, für diesen Kalkulationsapparat hier. Weiter geht es mit dieser Einheit hier, die von einer Mixtur aus Dampf und Chymie und Thaumaturgie angetrieben wird. Es ist das Herz der Maschine, ein Konverter, um Krisisenergie anzuzapfen

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