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Perdido Street Station 01 - Die Falter

Perdido Street Station 01 - Die Falter

Titel: Perdido Street Station 01 - Die Falter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: China Miéville
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als der andere Gelehrte dem Konstrukt eine liebevolle Kopfnuss verpasste.
    »Ich soll dir auch noch ausrichten, deine Putze wäre ein Freund fürs Leben«, rief er. Beide lachten. Isaac setzte sich auf halber Treppe auf eine Stufe. Er schaute zu, wie David ein paar Eierbriketts in den kleinen Dampfkessel schaufelte, einen effizienten Dreifachaustauscher, die Klappe schloss und den Schalter auf Ein stellte.
    Zischend und mit einem kurzen Pfeifen stieg der Dampf in die dünnen Rohre und setzte nach und nach den Denkapparat des Konstrukts in Betrieb. Ein Ruck durchfuhr den Reiniger, dann sank er wieder kraftlos gegen die Wand.
    »Ein paar Minütchen warten, bis er warm geworden ist«, meinte David zufrieden und schob die Hände in die Taschen. »Was hast du so getrieben, Zack?«
    »Komm rauf. Ich will dir was zeigen!«
    Beim Anblick des herabhängenden Kokons lachte David laut und stemmte die Fäuste in die Hüften. »Jabber! Das Ding ist ja riesig. Wenn das Biest ausschlüpft, sag mir Bescheid und ich gehe vorsichtshalber in Deckung …«
    »Das ist zum Teil der Grund, weshalb ich es dir zeige. Ich wollte dich bitten, dass du mit ein Auge darauf hast. Wenn es so weit ist, kannst du mir helfen, es in einen Glaskasten zu spießen.« Die beiden Männer grinsten sich an.
    Von unten hörte man eine Folge hohler Klopfgeräusche, wie von Wasser in einer verstopften Leitung, danach das leise Schnaufen langsam in Bewegung geratender Kolben. Isaac und David tauschten einen verdutzten Blick.
    »Klingt so, als wäre die alte Büchse ernsthaft gesonnen, sich in die Arbeit zu stürzen«, meinte David.
     
    Durch die kurzen, stummeligen Verästelungen aus Kupfer und Messing, aus denen das Gehirn des Konstrukts bestand, wälzte sich ein Sammelsurium neuer Daten und Instruktionen. Übertragen von Kolben und Pleueln und Elyktronenröhren, stauten sich die Päckchen und Pakete in dem begrenzten Raum.
    Minimalste Energiestöße bedienten eine Klaviatur winziger, fein abgestimmter Dampfhämmer. Im Zentrum des Gehirns befand sich ein Kasten mit reihenweise Kippschaltungen, die schnell und immer schneller zu rattern begannen. Jede Schaltung war eine dampfbetriebene Synapse, die in komplexer Reihenfolge Impulse an Knöpfe und Hebel weitergab.
    Das Konstrukt erzitterte.
    Tief in seinem Denkapparat kursierte eine unautorisierte, solipsistische Datenschleife – der Virus, entstanden, als ein klitzekleines Ritzel für den Bruchteil einer Sekunde aus dem Takt geriet. Wenn der Dampfdruck in der Schädelkalotte anstieg, wanderten die sinnlosen Impulse des Virus durch einen autistischen Kreislauf, öffneten und schlossen dieselben Ventile, betätigten in derselben Reihenfolge dieselben Schalter.
    Diesmal aber wurde der Virus genährt. Gefüttert. Die Programme, die der Mechaniker in die Analyseeinheit des mechanischen Faktotums geladen hatte, sandten ungewöhnliche Instruktionen durch das handgearbeitete Röhrencerebellum. Ventile flatterten und Schalter ratterten in schubweisem Stakkato, alles dem Anschein nach viel zu schnell, um etwas anderes zu sein als Zufallsaktivitäten. Und doch wurde durch diese gebündelten Sequenzen numerischen Codes der krude, kleine Virus verändert und ausgebaut.
    Kodierte Informationen entschlüsselten sich in den beschränkten, zischenden Neuronen, wanderten in die rekursive Idiotie des Virus und knüpften von dort Netze aus neuen Daten. Der Virus gedieh. Der stupide Motor seines uroborotischen Kreislaufs wurde beschleunigt, schleuderte Blüten brandneuer viraler Codes mit einer Art binärer Zentrifugalkraft spiralförmig von sich weg in jeden Bereich des Prozessors.
    Jeder dieser sekundären viralen Kreisläufe wiederholte den Vorgang, bis Instruktionen und Daten und selbst generierte Programme jeden Pfad der begrenzt aufnahmefähigen Rechenmaschine überschwemmten.
    Das Konstrukt stand in der Ecke, aus seinem Blechgehäuse drang ein leises Schnarren und Vibrieren.
    In einem zuvor unbedeutenden Winkel seines Elyktronenröhrengehirns war der ursprüngliche Virus noch aktiv, das ursprüngliche Konglomerat aus Datenmüll und sinnlosen Querverbindungen, das die Fähigkeit des Faktotums beeinträchtigte, Fußböden zu reinigen. Er war derselber, aber nicht mehr der gleiche, statt einer Irritation ein Werkzeug, ein Initiator, ein Antrieb.
    Schnell, sehr schnell erreichte der zentrale Prozessor im Gehirn surrend seine volle Leistung. Ausgeklügelte Abläufe, durch die neuen Programme initiiert, flitzten durch die analogen

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